Hochwasserschutz: Wie gut sind wir vorbereitet?

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Können mobile Systeme den Fluten trotzen?

 

Hochwasserschutzexperte Jürgen Jensen im Interview

Fragen an Prof. Jürgen Jensen, Forschungsschwerpunktleiter Zivile Sicherheit an der Universität Siegen am Institut für Wasserbau und Technische Hydromechanik

 

Red.: Alle sprechen von einer Flutkatastrophe. Ist der Begriff für wiederholt betroffener Gebiete noch zutreffend?

Jensen: Der Begriff Flut- oder Naturkatastrophe ist für solche Ereignisse durchaus zutreffend; der Begriff Jahrhunderthochwasser ist allerdings abzulehnen, weil er eine bestimmte Eintrittswahrscheinlichkeit suggeriert.

 

Red.: Die Verkehrsinfrastruktur steht während eines Hochwassers nur eingeschränkt zur Verfügung. Welche Maßnahmen sollten im Regionalverkehr (Bahn) und im ÖPNV getroffen werden?

Jensen: Bei der Planung für neu zu erstellende Verkehrsinfrastruktur sind Hochwasserereignisse zukünftig stärker zu berücksichtigen. Durch Hochwasser zerstörte Infrastruktur sollte vor der Wiederinstandsetzung auf zukünftig zu erwartende Hochwasserereignisse abgestimmt bzw. bemessen werden.

 

Red.: Welche Risiken sehen Sie bei kommunalen Dienstleistungsunternehmen wie Energieversorger, Stadtwerke etc.

Die Versorgungssicherheit ist für die Bevölkerung in hochwassergefährdeten Gebieten nicht immer garantiert; insbesondere solche Einrichtungen sollten gegen Hochwassergefahren besonders geschützt werden; dies ist in der Vergangenheit z.T. versäumt worden.

 

Red.: Sind die Einsatzkräfte optimal vorbereitet?

Jensen: Für die meisten Einsatzkräfte von Feuerwehr und Katastrophenschutz steht der Hochwasserschutz erfahrungsgemäß nicht an erster Stelle. Dennoch ist das Gefährdungspotential beträchtlich wie die letzten Tage zeigen. Bis auf die Risikoregionen sind die Helfer meistens unzureichend auf die Situationen vorbereitet, so die Erfahrungen. Schäden verursacht durch Naturereignisse oder gar terroristischen Ursprungs, ein Anschlag an einer Talsperre kann ganze Landstriche und somit die aufgebaute Infrastruktur komplett zerstören, fordern nachhaltige Lösungen und Rettungsabläufe.

„Hier könnte ein besseres Verständnis zur Thematik und im Umgang mit Schutzsystemen, insbesondere mobilen Systemen, hilfreich sein. Bei der freiwilligen Feuerwehr hat diesbezüglich in den letzten Jahren bereits ein Umdenkprozess eingesetzt. Neben einem besseren Systemverständnis findet auch zunehmend die Nutzung mobiler Systeme Anklang. Eine wichtiger Indikator sind die praktischen regionalen Erfahrungen in Hochwasser geplagten Regionen. Dabei hat sich durch die Häufigkeit der Ereignisse ein hoher Grad an Sensibilisierung der Betroffenen und Helfer entwickelt. So werden beispielsweise in Schleswig Holstein von DRK, THW, Feuerwehr und alle beteiligten Behörden regelmäßig Übungen durchgeführt, die im Ernstfall die Organisationsabläufe besser koordinieren“, berichtet Jensen aus den Erfahrungen.


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Red.: Welche Anforderungen werden an mobile Systeme gestellt?

Jensen: Anders wie beispielsweise Feuerschutztüren gibt es für mobile Systeme (mHWS) in Deutschland keine Norm oder Zulassungsvoraussetzungen, die die Belastungsannahmen und die Bemessung für Hochwasserschutzsysteme regelt. Das BWK Merkblatt M6 „Mobile Hochwasserschutzsysteme – Grundlagen für Planung und Einsatz“ liefert hier einige Hinweise, allerdings sind die gewählten Lastannahmen für den Objektschutz „sehr fragwürdig“ (u. A. Anprall von Treibgut bei uferparalleler Strömung mindestens 15 kN in beliebiger Laststellung). Da das Merkblatt nicht zwischen Objektschutzsystemen (für Gebäude) und Linienschutzsystemen (Entlang einer Uferpromenade) unterscheidet, führen diese Lastannahmen zu sehr teuren Systemen bzw.  zur  Überbemessung einzelner Komponenten. Hier besteht Bedarf!!!! Die aktuellen Überflutungen zeigen deutlich den großen Bedarf für den privaten und gewerblichen Hochwasserschutz durch mobile temporäre Objektschutzmaßnahmen (von Ein-Familien- über Mehr-Familien-Häusern bis hin zu Gewerbegebieten) auf. Aber dieser Objektschutz muss sicher und kostengünstig sein!

 

Red.: Wie kann Ihr Institut helfen?

Jensen: Genau aufgrund der aufgeführten Problematik mobiler Systeme haben wir am Forschungsinstitut Wasser und Umwelt der Universität Siegen in den letzten 10 Jahren für verschiedene Hersteller Hochwasserschutzsysteme geprüft und optimiert. Mit dem vorhandenen Pumpen-Wasserkreislauf-System (200 m³ Wasser) lassen sich auf dem fest installierten Teststand des Wasserbaulabors grundlegende Probleme eines Hochwasserschutzsystems schnell und kostengünstig erkennen und anschließend abstellen.

Darüber hinaus bieten wir optimierte Schutzkonzepte für Städte, Kommunen und auch Gewerbegebiete an, die alle Komponenten wie Vorsorge, technische und nichttechnische Schutzmaßnahmen sowie das Management und die Bewältigung der Hochwasserereignisse bzw. die Katastrophenabwehr beinhaltet.

Um die Schäden zukünftiger Hochwasserereignisse zu verhindern bzw. zu vermeiden, sind allerdings noch grundlegende und anwendungsorientierte Forschungsarbeiten erforderlich. Leider wurde in den vergangenen Jahren versäumt, die immer noch vorhandenen Defizite abzustellen.

 

Forschungsinstitut Wasser und Umwelt (fwu)Lehrstuhl Wasserbau & Hydromechanik

Forschunskolleg Siegen -Forschungsschwerpunktleiter Zivile Sicherheit

http://www.bau.uni-siegen.de/fwu/wb/

 

 

Dieser Beitrag unterliegt dem Urheberrecht. Nachdruck und weitere Verwertung nur nach Absprache.

Copyright Umweltdienstleister©2013


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