CO2-Speicher gefährden Wasserversorgung

Mit Freunden teilen-Es werden Daten an den Anbieter und ggf. weitere Dritte übertragen.


Wissenschaftler und Wasserverband gegen CO2-Speicherung
CCS-Technologie kontra EU-Wasser-Rahmenrichtlinie


Schleswig-Holstein gilt als besonders geeignet, um das aus Kohlekraftwerken abgeschiedene Klimagas CO2 unterirdisch zu deponieren / Landesgeologe hält mehrjährige Risikobewertung für das Grund- und Trinkwasser für erforderlich / Berliner Energieexperte: „Für Deutschland kommt die Technologie nicht in Betracht“ / „Wasserzeitung“ informiert die Bevölkerung



„Es ist nach heutigem Kenntnisstand nicht auszuschließen, dass unterirdische CO2-Einlagerungen aus Kohlekraftwerken die Wasserversorgung im Flensburger Raum beeinträchtigen könnten.“ Mit diesen Worten referierte Ernst Kern, der Geschäftsführer des Wasserverbandes Nord, ein für ihn alarmierendes Ergebnis einer Informationstagung, zu der sich 100 Vertreter norddeutscher Wasserwerke am 15. Oktober in der Akademie Sankelmark zusammengefunden hatten. Der Geologe Dr. Broder Nommensen vom Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) Schleswig-Holsteins hatte auf der Veranstaltung den aktuellen Kenntnisstand seiner Behörde vorgetragen und betont: „Zur Bewertung der Risiken für die regionale Trinkwasserversorgung sind umfangreiche Forschungen sowie ein konsequent auf die Ergebnisse abgestimmtes Speichermanagement erforderlich.“ Die Wasserverbände informieren heute und morgen mehrere zehntausend Kundinnen und Kunden in der kostenlos verteilten „Wasserzeitung“ über mögliche Trinkwasserrisiken.



Nach Darstellung von Dr. Nommensen vom Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) kommen aus der Sicht von Geologen deutschlandweit vorrangig zwei in Schleswig-Holstein gelegene Regionen in Betracht, um große Mengen an CO2 aus Kohlekraftwerken in tiefen salzwasserführenden Erdschichten dauerhaft zu speichern. Der nordwestliche Landesteil von Schafflund bis in das Seegebiet westlich der Inseln Sylt, Amrum und Föhr ist dabei die flächenmäßig bedeutendere Region. Ebenfalls geeignet erscheint Geologen die Ostküste zwischen der Holsteinischen Schweiz und der Insel Fehmarn. Der Energiekonzern RWE hat für diese beiden Regionen bereits Anträge auf Erkundungen gestellt.


Der Organisator der Informationstagung, der Geschäftsführer des Wasserverbandes Nord Ernst Kern, sieht hinsichtlich der möglichen Gefahren das Europarecht auf seiner Seite: „Bereits die EU-Wasser-Rahmenrichtlinie verbietet alles, was zu einer Verschlechterung der Qualität des Grundwassers führen könnte. Unser Wasser ist mehrere hundert Jahre alt und frei von Spuren jeder menschlichen Tätigkeit. Wir können es nicht zulassen, dass dieser Schatz in irgendeiner Weise berührt wird.“


Prof. Rolf Kreibich, Physiker und Direktor des unabhängigen und gemeinnützigen IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung in Berlin, der als Referent ebenfalls an dieser Tagung teilnahm: „Ich kann nur davor warnen, große Mengen CO2 für mehrere tausend Jahre unterirdisch einschließen zu wollen. Ich kenne keinen seriösen Wissenschaftler, der sich anmaßt, über solche langen Zeiträume Standortsicherheit zu prognostizieren. Die katastrophale Fehleinschätzungen und das Kontrollversagen beim Atommülllager ‚Asse‘ mit allen unübersehbaren Gefahren und Folgen sollten eine letzte Warnung sein, solche Vorhaben ohne ausgereifte wissenschaftliche Erkenntnisse anzugehen.“


Die Geologen vom Geologischen Landesdienst Schleswig-Holsteins halten die Gesteinsschichten im Nordwesten (inklusive des Seegebietes westlich der Nordfriesischen Inseln) und im Osten (inklusive Fehmarn) ihres Bundeslandes unterhalb 1000 m Tiefe für „tektonisch stabil“ genug, um ernsthaft zu prüfen, ob sie abgeschiedenes CO2 aufnehmen können. Broder Nommensen: „Es bedarf Forschungsanstrengungen von rund sechs Jahren bis wir wissen, ob unsere Region für die CO2-Verpressung geeignet ist.“


Das mögliche Speichergestein, der in etwa 2000 Meter Tiefe anstehende Buntsandstein, zeichnet sich u.a. dadurch aus, das seine Poren mit hochkonzentriertem Salzwasser gefüllt sind („saliner Aquifer“). Das Salzwasser in diesen tiefen Erdschichten („salines Formationswasser“) hat einen Salzgehalt von ca. 300g pro Liter – im Vergleich dazu hat Nordseewasser einen Salzgehalt von 35g pro Liter. In Trinkwasser darf sich nur 1g Salz pro Liter befinden. Nach Angaben von Dr. Nommensen gibt es südlich von Flensburg eine geologische Besonderheit, die für die Grundwasserqualität dort problematisch sein könnte: „Durch die unterirdische Druckausbreitung der CO2-Blase wird das extrem salzhaltige Formationswasser seitlich verdrängt. Von Flensburg aus nach Süden verläuft aber eine tektonische Bewegungszone, die sogenannte ‚Sieverstedter Störung‘ mit dem westlich angrenzenden ‚Tarper Trog‘. Vermutlich sind die alten Bewegungsbahnen durch Jahrmillionen andauernde Mineralisationsprozesse verschlossen, es ist nach jetzigem Wissensstand aber nicht sicher auszuschließen, dass verdrängtes salziges Formationswasser dort aufsteigt, mit Grundwasser in Berührung kommt und so die Wasserversorgung der Wasserwerke im Flensburger Raum beeinträchtigen könnte.“



Das Fazit von Prof. Dr. Rolf Kreibich vom Berliner IZT: „Für Deutschland kommt die CO2-Abscheidung aus Kohlkraftwerken und die unterirdische Verpressung, die sogenannte Carbon-Capture-and-Storage-Technologie wegen ihrer miserablen Energie-, Wirtschafts- und Umweltbilanzen nicht in Betracht. Die Gefahren für die Trinkwasserversorgung und die Gesundheitsgefährdungen der Menschen im Bundesland Schleswig-Holstein sind unkalkulierbar. Weiter besteht die Gefahr, dass der Klimaschutzeffekt selbst bei nur geringer Diffusion des CO2 an die Oberfläche nur um Jahre verschoben würde.“ Kreibich ist überzeugt: „Die alten, zentralistischen und gefährlichen Energietechniken mit ihren fossilen und nuklearen Großkraftwerken würden durch die CCS-Technologie auf Dauer zementiert, obwohl sie nur noch für eine Übergangszeit zur Versorgungssicherheit nötig sind: Die Zukunft gehört der Energieeffizienz und den Erneuerbaren Energien.“ hmarn. Der Energiekonzern RWE hat für diese beiden Regionen bereits Anträge auf Erkundungen gestellt.(izt/rk)


Mehr…



Mit Freunden teilen-Es werden Daten an den Anbieter und ggf. weitere Dritte übertragen.