Eine neuentwickelte Beton-Rezeptur der TU Wien macht es möglich, Luftpölster mit einer dünnen Betonschicht zu überziehen und damit tragfähige Bauelemente herzustellen. Für Baukunst und Architektur eröffnen sich dadurch ganz neue Gestaltungsmöglichkeiten.
Luftballons mit Betonschale – so ähnlich kann man sich die Objekte vorstellen, die nun Dank einer an der TU Wien neuentwickelten Baumethode hergestellt werden können. Statt massiver Betonklötze lassen sich durch die neue Spritzbeton-Technik luftig leichte Gebilde erzeugen, die trotzdem stabil und tragfähig sind. Möglich wurde das durch eine Kooperation aus Architektur (Institut für Architektur und Entwerfen) und Bauingenieurwesen (Institut für Hochbau und Technologie).
Außen Beton, innen Luft
Am Anfang stehen Luftkissen: Sogenannte Pneus werden in eine Form gebracht, die dem geplanten Endprodukt möglichst gut entspricht. Dann werden sie mit einem Spezialbeton bespritzt. Schicht für Schicht muss der Beton aufgetragen werden, dazwischen wird ein Vlies miteingearbeitet, das Risse verhindern soll. Die mühsame Arbeit des Betonauftragens übernahmen Johann Thaller und Roland Stöttner bei ihrem Projekt „Inside/Outside“, dessen Ergebnisse nun in der Seestadt Aspern ausgestellt sind. „Entscheidend ist die genaue Zusammensetzung des Spritzbetons“, erklärt Johannes Kirnbauer vom Institut für Hochbau der TU Wien. Der Spezialbeton muss eine gute Pump- und Spritzfähigkeit haben und auf dem Pneu rasch aushärten. Man benötigt also einerseits eine Verflüssigungs-Substanz, die das problemlose Aufspritzen des Betons erlaubt, andererseits braucht man Erstarrungsbeschleuniger, wie sie etwa auch im Spritzbeton beim Tunnelbau eingesetzt werden. Auch wenn man, wie Johannes Kirnbauer, jahrelange Erfahrung im Umgang mit Beton hat, ist die genaue Rezeptur für so ein exotisches Anwendungsgebiet keine ganz einfache Sache. Doch nach einigen Testmischungen und Experimenten hatte man den „Ultra High Performance Concrete“, der alle Anforderungen bestens erfüllt.
Extreme Festigkeit
„Die Festigkeit dieses Betons ist etwa dreimal höher als die Festigkeit von gewöhnlichem Beton – sie kommt schon beinahe an die Festigkeit von Stahl heran“, erklärt Karl Deix (ebenfalls Institut für Hochbau und Technologie). Und das ist auch nötig: Schließlich soll am Ende eine dünne Schicht von wenigen Zentimetern ausreichen, um eine stabile Schale zu bilden. Feste Betonschalen dieser Größe mit einer Dicke von nur 1.5 bis 4 Zentimetern wären mit herkömmlichen Spritzbetontypen einfach nicht möglich.
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Neue künstlerische Gestaltungsmöglichkeiten
Für die Architektur bietet die neue Bauweise ganz neue Gestaltungsmöglichkeiten. Manfred Berthold und Jürgen Hennike vom Institut für Architektur und Entwerfen betreuen die architektonische Seite des Projekts, Michael Schultes stellt die Pneus her, die als Grundlage fürs Betonspritzen dienen. Bisher wurden große Betonelemente ganz anders hergestellt: Normalerweise wird ein schweres, tragendes Gerippe gegossen, das dann verkleidet werden muss. Der neue Spritzbeton ermöglicht ein viel freieres, gewagteres Experimentieren mit außergewöhnlichen Formen. Studierende der Fakultät für Architektur beschäftigten sich in einer Lehrveranstaltung mit der neuen Betonspritztechnik, dabei entstanden nun kuriose Skulpturen mit mehreren Metern Länge. Gespannt darf man sein, in welcher Form diese Betontechnik Verwendung in neuen Gebäuden finden wird. Die technischen Voraussetzungen dafür sind nun jedenfalls da.