Leuchtdioden sollen preiswerter und leistungsfähiger werden-Labormodell soll Ende 2012 fertig sein
Kassel. Der viele Milliarden Euro schwere Markt für Beleuchtung ist weltweit in Bewegung. Energiesparlampen, die schon seit einiger Zeit die gute alte Glühbirne aus Büros und Wohnzimmern verdrängen, könnten ihrerseits bereits in einigen Jahren von neuartigen, extrem lichtstarken Leuchtdioden (LED) abgelöst werden, die nur einen Bruchteil der heutigen Dioden kosten. Wissenschaftler des Fachbereichs Elektrotechnik der Universität Kassel haben einen wichtigen Schlüssel dafür in der Hand, dass Europa diesen internationalen Forschungswettlauf gewinnt: Mit leistungsstarken Computern und Simulationsmodellen sind sie im Rahmen des europäischen Forschungsverbundprojekts SMASH der optimalen Architektur der neuartigen Dioden auf der Spur.
Im Zeichen des Klimawandels und schwindender Ressourcen bietet das künstliche Licht ein hohes Einsparpotential. Momentan verbrauche Europa für die Beleuchtung seiner Städte, Dörfer, Tunnel und Straßen bis zu 25 Prozent der elektrischen Energie, sagt der Kasseler Forscher Prof. Dr. Bernd Witzigmann: „Effiziente Einsparungen sind in diesem Bereich extrem wichtig.“
Leuchtdioden, die aus einer planen, kristallinen Struktur aus Halbleitermaterial bestehen und die Elektronen des hindurchgeleiteten Stroms in Lichtwellen umwandeln, sind dabei das Mittel der Wahl. Sie strahlen schon jetzt bei gleichem Stromverbrauch bis zu zehn Mal heller als Glühlampen und mehr als drei Mal heller als Energiesparlampen. Handelsübliche LEDs setzen etwa 30 Prozent der aufgenommenen elektrischen Energie in Licht um, bei der Glühlampe sind es nur drei Prozent. Die Forscher, die im SMASH-Projekt eng mit dem führenden europäischen Beleuchtungshersteller Osram und weiteren Firmen zusammenarbeiten, wollen mithilfe der Nanotechnik und einer neuen Architektur die Effizienz der LEDs weiter verbessern. Ziel ist es, mit noch weniger Strom, deutlich mehr Lichtausbeute zu gewinnen.
Das ist nötig, sollen sich die LEDs allgemein durchsetzen und nicht wie heute für Marktnischen wie Autorückleuchten, Displays oder Verkehrsampeln reserviert bleiben. Denn die kleinen Leuchtwunder haben noch einen entscheidenden Nachteil: Sie sind als Wohnzimmer- oder Bürobeleuchtung viel zu teuer: Um die Lichtausbeute einer 60-Watt-Glühbirne zu erreichen, müsse man heute etwa 30 Euro für Leuchtdioden ausgeben, erläutert Professor Witzigmann. Das liege an den hohen Kosten für das Träger- und Halbleitermaterial der jetzigen LEDs und ihrer flachen Architektur. Die LED-Chips würden aus einem teuren Saphirsubstrat hergestellt, das mit dem ebenfalls kostspieligen Halbleitermaterial Galliumnitrid bedampft werde. Diese kleine Fläche setze der Lichtausbeute enge Grenzen, sagt der gelernte Physiker. Deshalb geht man jetzt neue Wege: Die am SMASH-Projekt beteiligten europäischen Wissenschaftler bauen leuchtende „Hochhäuser“ in der für das menschlichen Auge unsichtbaren Nano-Welt (1 Nanometer= 1 Milliardstel Meter): Statt des Saphir-Substrats verwenden sie preiswerte Silizium-Substrate. Auf diesem wachsen durch eine ausgeklügelte Herstellungstechnologie sechseckige kristalline Säulen von einem Durchmesser von etwa 100 Nanometer bis zu 3000 Nanometer in die Höhe. Diese verfügen auf dem gleichen Raum wie jetzige LED-Chips über eine viel größere, kompakte Licht abstrahlende Fläche. Das Halbleitermaterial wird durch die Nanotechnik gleichsam gefaltet.
Die Uni Kassel liefert innerhalb dieser europaweiten experimentellen Forschung einen wichtigen Beitrag. Professor Witzigmann verarbeitet die Daten der Laborversuche in seinen Rechenmodellen. Mithilfe der Computer-Simulation optimiert er die „Hochhaus“-Strukturen. Sein Team arbeitet auch daran, dass die Säulen in den Spektralfarben Grün, Blau und Rot leuchten werden. Das Zusammenspiel dieser Farben sorgt dann dafür, dass die neuen Dioden weißes Licht abgeben. Bisher müssen die Dioden noch mit einer fluoreszierenden Schicht überzogen werden, damit sie weiß leuchten.
Die neuen LEDs müssen auch bei hoher Lichtausbeute mit möglichst wenig Widerstand auskommen, damit sie nicht heiß werden. „Wärme ist der begrenzende Faktor für die Lebensdauer der LEDs“, erläutert Witzigmann. Eine Diode mit der Lichtausbeute einer 75-Watt-Birne solle im Handel kaum mehr als fünf Euro kosten, dafür aber zehnmal länger als eine Glühbirne halten. Die Kasseler Forscher erhalten aus dem mit 11,5 Millionen Euro und auf drei Jahre angelegten Projekt, an dem mehrere deutsche und europäische Universitäten beteiligt sind, 470.000 Euro.
Auf dem Weg von der Grundlagenforschung bis zur Produktionsreife sind noch einige Hürden zu überwinden. Die Forscher wollen bis Ende 2012 ein Labormodell der neuartigen Diode, einen Demonstrator, bauen. Bis die Produktion der Super-Dioden anläuft, könnten mindestens noch fünf Jahre ins Land gehen, schätzt Witzigmann. Er ist optimistisch, dass es klappt.