Fahrdrahtlose Energieübertragung bei Schienenfahrzeugen
Wer häufig mit der Bahn unterwegs ist, weiß ein Lied davon zu singen: Oberleitungen sind störungsanfällig, was immer wieder zu Verspätungen und Zugausfällen führt. Eine Alternative dazu ist die fahrdrahtlose Energieübertragung. Wissenschaftler zweier Institute der Universität Stuttgart sowie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) erforschen im Rahmen der Allianz DLR@Uni-Stuttgart induktive (berührungslose) Systeme, die Fahrleitungen eines Tages ersetzen sollen. Das Land Baden-Württemberg hat dafür 860.000 Euro zur Verfügung gestellt. „Mit der Förderung unterstützt die Landesregierung die Forscher des DLR und der Uni Stuttgart dabei, die enormen Potentiale der drahtlosen Energieübertragung für weniger Lärmemissionen, weniger Verschleiß- und Wartungsaufwendungen und weniger Energieverbrauch zu heben“, erklärte Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid anlässlich der Übergabe des Forschungsberichts. Als nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler einen Demonstrator entwickeln, der auch für die Industrie interessant sein dürfte.
Fahrleitungen für elektrisch betriebene Schienenfahrzeuge sind der Witterung und anderen Umwelteinflüssen ausgesetzt, was zu einem hohen Verschleiß und bei Beschädigungen zu einer Gefährdung für die Umgebung führen kann. Zudem sind Leitung und Stromabnehmer eine bedeutende Lärmquelle und der hohe aerodynamische Luftwiderstand hat einen wesentlichen Einfluss auf den Energieverbrauch.
Induktion statt Fahrleitung lautet daher die Zielsetzung des Projekts, für das sich das DLR-Institut für Fahrzeugkonzepte mit den Instituten für Elektrische Energiewandlung (IEW) und für Maschinenelemente (IMA, Bereiche Schienenfahrzeugtechnik und Zuverlässigkeitstechnik) der Universität Stuttgart zusammengetan hat. Die Wissenschaftler setzen dabei auf ein Prinzip, nach dem mit begrenzter Übertragungsleistung bereits Elektroautos und Straßenbahnen berührungslos aufgeladen werden können. Seine Wirkungsweise entspricht derjenigen eines aufgeschnittenen Transformators, wobei die Primärspule in den Fahrweg integriert ist und die Sekundärspule sich im Fahrzeug befindet. Die Energieübertragung erfolgt über ein erzeugtes Magnetfeld und ist großflächig über die komplette Länge des Fahrzeugs möglich. So kann bei langen Zügen mit einer verteilten Antriebsleistung jedes Teilsegment separat mit Strom versorgt werden, ohne dass eine aufwändige Energieversorgungsleitung durch den Zug notwendig wäre. Dadurch kann jeder Wagen, der über einen eigenen Antrieb verfügt, zum Beispiel im Rangierbereich autonom bewegt werden.
Während sich das IMA insbesondere mit der mechanischen Auslegung und der Integration der neuen Komponenten ins Fahrzeug sowie der Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit der Energieübertragung beschäftigte, wurden am IEW insbesondere das Energieübertragungssystem sowie die Versorgungselektronik konzeptioniert und die elektrischen Komponenten ausgelegt. Verschleißfreiheit, eine geringere Störanfälligkeit und ein möglichst hoher Wirkungsgrad (über 90 Prozent) auch bei deutlich gesteigerter Leistungsfähigkeit standen dabei im Vordergrund. Außerdem wurde darauf geachtet, eine Abwärtskompatibilität mit bestehenden Bahnsystemen nach Möglichkeit zu erhalten und Zugsicherungssysteme weiter zu verbessern.
„Die in diesem interdisziplinären Projekt entwickelte induktive Energieübertragung ermöglicht eine effiziente und robuste Versorgung von Schienenfahrzeugen mit elektrischer Energie“, stellt Prof. Johann-Dietrich Wörner, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) fest. Ein wesentlicher Gesichtspunkt ist, dass die Schienenfahrzeuge durch eine hybride Energieversorgung sowohl Neubaustrecken als auch das existierende Streckennetz befahren können.“