Schwimmbäder gelten bisher als Energieschleuder. Dank einer Entwicklung, gefördert im Rahmen des INTERREG-Projekt „Mechatronik für KMU“, sorgen selbstreinigende Molche jetzt für eine Energieeinsparung von bis zu 50 Prozent. Möglich wird dies durch einen Wärmetauscher mit intelligentem Molchsystem, der Ende Juli im Osnabrücker Moskaubad den Testbetrieb aufgenommen hat. Die energiesparende Technologie ist das Ergebnis einer deutsch-niederländischen Firmenkooperation mit technologische Unterstützung vom Steinbeis- Innovationszentrum Energie- und Umwelttechnik, dem niederländischen Technologie- und Schulungszentrum STODT in Hengelo und den Firmen VICRO TECHNICS aus Venray, Herikon aus Almelo und FlowMotion aus Delft (Bild v.l.n.r.: Jürgen August, Stadtwerke Osnabrück, Dr. Peter Wolf, Firma Jaske & Wolf, Maik Schmeltzpfenning, Emsland GmbH, Angelika van der Kooi, EUREGIO, Wolfgang Jaske, Jaske & Wolf, Dr. Roy Mayer, Firma FlowMotion.
Molche reinigen Wärmetauscherrohre im Moskaubad
Herzstück des neuen Wärmetauschers ist der Ventilblock, der die Steuerung der Molche übernimmt. V.l.n.r.: Jürgen August, Stadtwerke Osnabrück, Dr. Peter Wolf, Firma Jaske & Wolf, Maik Schmeltzpfenning, Emsland GmbH, Angelika van der Kooi, EUREGIO, Wolfgang Jaske, Jaske & Wolf, Dr. Roy Mayer, Firma FlowMotion. Foto: Detlef Heese
Die Stadtwerke Osnabrück, Betreiber des Moskaubads, wollen mit der neuen Wärmetauscheranlage den jährlichen Energieverbrauch für die Freibadbeheizung halbieren. Die Nachrüstung ist ein weiterer Baustein der grünen Initiative KompetenzUmweltKlima (KUK) des Unternehmens. „Der bisherige Verbrauch im Moskaubad liegt bei 600.000 Kilowattstunden“, erläutert Jürgen August, der Leiter der Bädertechnik, „künftig wollen wir mit 300.000 kWh auskommen.“
Die Technologie setzt an der Stelle an, an der die meiste Energie im Bad verbraucht wird, nämlich bei der Beheizung des frischen Wassers für das Schwimmbecken. Abhängig von den Besucherzahlen werden die Filter bis zu einmal am Tag zur Reinigung gespült. Pro Spülgang kommen bis zu 35 Kubikmeter warmes Schwimmbadwasser zum Einsatz. Dieses Wasser wurde früher mit 24° C in die Kanalisation eingeleitet. Das entsprechend nachgespeiste kühle Nass wurde hauptsächlich per Gasbrennwertkessel auf Beckentemperatur erwärmt. Der nun eingesetzte Wärmetauscher entzieht dem 24° C warmen Abwasser thermische Energie und erwärmt das rund 12° C kalte Frischwasser auf 22° C. Durch das Vorwärmen des Wassers benötigen die Stadtwerke deutlich weniger Gas zur Erreichung der gewünschten Beckentemperatur.
Verunreinigungen und Schwebstoffe, wie sie im Filterrückspülwasser von Schwimmbädern üblich sind, beeinträchtigen in sehr kurzer Zeit die Leistung handelsüblicher Wärmetauscher. Die Teilchen lagern sich im Rohr an den Wärmeübertragungsflächen ab und lassen den Wirkungsgrad der Anlage drastisch sinken. Im Fachjargon wird dieser Prozess ‚Fouling’ genannt. Das emsländische Unternehmen Jaske & Wolf aus Lingen hat einen innovativen Lösungsansatz für dieses Problem entwickelt. Bei einem Unternehmensbesuch im August 2010 wiesen Landrat Hermann Bröring und die Geschäftsführerin der Emsland GmbH, Heidi Ricke, die Unternehmer auf das im Emsland von Dipl.-Ing. Maik Schmeltzpfenning betreute Projekt ‚Mechatronik für KMU’ hin. Dieses deutsch-niederländische Projekt fördert den Einsatz der Mechatronik, der Kombination von Mechanik, Elektronik und Informatik, in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Gemeinsam mit Schmeltzpfenning beantragte Jaske & Wolf bei der EUREGIO in Gronau Fördermittel in Höhe von 63.000 Euro für die Entwicklung und Erprobung des Wärmetauschers. Dank der Förderung bekam das Unternehmen technologische Unterstützung von dem Steinbeis-Innovationszentrum Energie- und Umwelttechnik, dem niederländischen Technologie- und Schulungszentrum STODT in Hengelo und den Firmen VICRO TECHNICS aus Venray, Herikon aus Almelo und FlowMotion aus Delft.
Der vom Unternehmen Jaske & Wolf entwickelte Mehrfachrohr-in-Rohr-Wärmetauscher, bei dem mehrere Zuflussrohre in einem Mantelrohr angeordnet sind, löst das Fouling-Problem durch ein intelligentes, sogenanntes Molchsystem. Ein ‚Molch’ ist in der Ingenieurssprache ein Reinigungs- oder Inspektionsgerät zum Einsatz in Rohrleitungen. Die Molche werden vom Wasserdruck durch die Rohre geschoben und lösen so die Ablagerungen von den Leitungswänden. „Herzstück der Anlage ist ein Molchventil, welches das gleichzeitige Reinigen aller Rohrleitungen während des Betriebes ermöglicht“, sagten Wolfgang Jaske und Dr. Peter Wolf, die Geschäftsführer von Jaske & Wolf, „die Reinigungsintervalle können über eine spezielle Steuerung bedarfsorientiert eingestellt werden. Dadurch wird dauerhaft ein hoher Wirkungsgrad für einen wirtschaftlichen Betrieb gewährleistet.“
Die neue Technologie wird nun im Moskaubad ausgiebig getestet. Wissenschaftlich begleitet wird die Versuchsphase von einem Team der Hochschule Osnabrück unter Leitung von Prof. Dr.-Ing. Matthias Reckzügel. Wenn sich das Wärmetauschersystem bewährt, soll es auch in anderen Schwimmbädern zum Einsatz kommen. Denn steigende Energiekosten schaffen auch andernorts Anreize für mehr Effizienz. Zudem trägt ein sparsamer Energieverbrauch zur CO2-Vermeidung und zum Klimaschutz bei. Jaske & Wolf sehen deshalb auch gute Absatzmöglichkeiten in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, bei Kläranlagen, Biogasanlagen und in der Petro- und Verfahrenschemie. „Die Zusammenarbeit mit dem Steinbeis-Transferzentrum vor Ort und unseren niederländischen Partnern hat unserem Unternehmen neue Marktchancen eröffnet“, so Wolfgang Jaske, „ohne die Unterstützung im Rahmen von ‚Mechatronik für KMU’ hätten wir die Umsetzung nicht so schnell und leicht geschafft.“
Die Initiative ‚Mechatronik für KMU’ fördert die Zusammenarbeit von deutschen und niederländischen Unternehmen, Hochschulen, Wirtschaftsförderern sowie Technologie- und Wissenszentren auf den Gebieten der Elektronik, Mechanik und Informatik. Das Projekt ‚Mechatronik für KMU’ wird im Rahmen des INTERREG IV A-Programms ‚Deutschland-Nederland’ mit Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) und der Wirtschaftsministerien der Niederlande und der Länder Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sowie der Provinzen Drenthe, Friesland, Gelderland, Groningen, Limburg und Overijssel kofinanziert. Es wird durch das Programmmanagement bei der EUREGIO begleitet.