Die österreichische Energiegesetzregelung führt zu einer Benachteiligung der heimischen Stromerzeuger im internationalen Wettbewerb. Verfassungsgerichtshof kippt Netzgebühren für Stromerzeuger mit weitreichenden Konsequenzen auch für Windkraftbetreiber.
Der Verfassungsgerichtshof hat nun nach zahlreichen Beschwerden von Stromerzeugern die Netztarifverordnungen der Jahre 2009, 2010 und 2011 aufgehoben. Der Entscheidung lagen zahlreiche Gerichtsverfahren zugrunde, in denen Stromerzeuger durchsetzen wollten, für die Inanspruchnahme des Stromnetzes keine Netzentgelte zu bezahlen. Aus Anlass dieser Verfahren prüfte der Verfassungsgerichtshof die gesetzlichen Grundlagen der Netztarifverordnungen und kam zum Ergebnis, dass das damals in Kraft stehende Gesetz (ElWOG 2000) mangelhaft determiniert war und klarer formuliert hätte sein müssen. Der Gerichtshof hob aus diesem Grund die gesetzliche Grundlage auf. Nun folgte – konsequenterweise – die Aufhebung der darauf basierenden Systemnutzungstarifverordnungen.
Nun sind wieder die ordentlichen Gerichte am Zug. Sie haben zu entscheiden, ob die Kraftwerksbetreiber das Netz nun tatsächlich unentgeltlich nutzen können, oder aber ob nicht doch ein angemessenes Entgelt zu bezahlen ist. „Denn eines ist sicher: Die jährlich rund 1,5 Mrd. Euro, die für die Instandhaltung und den Betrieb des österreichischen Stromnetzes aufgebracht werden müssen, sind von den Netzkunden zu bezahlen. Dass eine Kundengruppe diese Leistung gänzlich gratis in Anspruch nimmt, geht zu Lasten aller anderen Kunden “, so der Vorstand der Energie-Control Austria, Mag. (FH) Martin Graf.
„Der Gesetzgeber hat im nunmehr in Kraft stehenden ElWOG 2010 eine klarere Aufteilung der Kostentragung für die Stromnetze zwischen den einzelnen Kundengruppen, etwa Stromerzeuger und Stromkonsumenten, vorgenommen. Mit dem ElWOG 2010 wurden die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes also bereits ausgeräumt.“, betont Graf.
Alle sollen für die Inanspruchnahme des Netzes zahlen
Im Jahr 2009 wurde eingeführt, dass Stromerzeuger einen etwas höheren Beitrag für das jährlich rund 1,5 Milliarden Euro teure Stromnetz leisten sollten. Mit der Einführung des Netzverlustentgelts auch für Einspeiser sollte sichergestellt werden, dass jeder Netznutzer, also nicht nur Strombezieher wie etwa Haushalte, für diese Nutzung in die Pflicht genommen werden kann. Kleine Stromanlagen bis 5 MW wurden weiterhin von dieser Verpflichtung ausgenommen.
Anlass der Entscheidung waren Beschwerden von Stromerzeugern, die sich gegen einen seit dem Jahr 2009 (höheren) Beitrag an den Kosten für die Stromnetze ausgesprochen haben.
Künftige Auswirkungen auf Netztarife noch nicht klar
Welche Konsequenzen diese Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes hat, ist derzeit noch nicht absehbar. „Wir appellieren auf jeden Fall dafür, dass nicht anstelle der Stromerzeuger alle übrigen Kunden über die Maßen belastet werden.“ so Graf abschließend.
Windkraftbranche sieht weiteren Handlungunsbedarf
Hocherfreut ist Mag. Stefan Moidl, Geschäftsführer der IG Windkraft, über das nun bekannt gewordene Verfassungsgerichtshof-Urteil: „Wir freuen uns, dass der Verfassungsgerichtshof den Bedenken von zahlreichen Windkraftbetreibern gefolgt ist und sowohl die gesetzliche Grundlage für die Aufteilung der Netzgebühren als auch die dazu gehörigen Verordnungen aufgehoben hat.“ „Viele Windkraftbetreiber haben nun die berechtigte Hoffnung, die von ihnen geleisteten Netzverlustentgelte und Systemdienstleistungsentgelte der letzten drei Jahre zurückzubekommen. Das Urteil zieht den Kreis derer, die als Anlassfälle in den Genuss dieser Aufhebung kommen, nämlich sehr weit“, erläutert der renommierte Energierechtsexperte Dr. Paul Oberndorfer aus Linz.
„In der Folge bedarf es aus Sicht der Windkraft nun einer neuen Diskussion über die Frage der Aufteilung der Netzgebühren zwischen Erzeugern und Verbrauchern und einer Reparatur des neuen Elektrizitätsgesetzes ElWOG 2010, welches nicht Gegenstand der Entscheidung war. Die ungerechte Belastung der Windkraft muss beseitigt werden. Die Benachteiligung der heimischen Stromerzeugung gegenüber von Importstrom, der auch oft Atomstrom ist, muss rasch aufgehoben werden“, fordert Moidl. Europaweit ist es so, dass die Netzgebühren ausschließlich oder vorwiegend über die Konsumenten aufgebracht werden und nicht über die Erzeuger. Die österreichische Regelung führt daher zu einer Benachteiligung der heimischen Stromerzeuger im internationalen Wettbewerb. Dies sollte aus Sicht der IG Windkraft neu diskutiert werden.