Als erster Absolvent der Hochschule Biberach hat Jan Schellinger eine Anlage entwickelt, die es ermöglicht in einem großen Plastikbehälter Biogas für die eigene Energieversorgung zu erzeugen.
Mit seinem Studienabschluss in einem interdisziplinären Projekt der Studiengänge Energiesysteme (jetzt Energie-Ingenieurwesen) und Industrielle Biotechnologie war es ihm gelungen, auf diese Art eine Möglichkeit der Energieversorgung zur Eigennutzung, beispielsweise für Entwicklungshilfeländer, auf den Weg zu bringen.
Das klingt einfach, war jedoch für Jan Schellinger „im Detail ganz schön schwierig“. Fast ein Jahr hat er sich mit dem Thema, der Vorbereitung und Umsetzung beschäftigt – viel länger als allgemein üblich.
Belohnt wurde sein außerordentliches Engagement mit einem besonders erfolgreichen Studienabschluss Bachelor of Engineering sowie jeder Menge Know-how in einem für ihn bislang fremden Fachgebiet: der Biotechnologie. „Meine Kenntnisse in Biologie und Chemie beschränkten sich auf die aus der Schulzeit, so Schellinger. Am Ende seines Projektes konnte er sich dagegen an Gesprächen seiner Studienkollegen aus dem Studiengang Industrielle Biotechnologie durchaus beteiligen: „Diskussionen über multiresistente Bakterien? – Aber gerne!“
Was genau also hat Jan Schellinger zum Abschluss seines Studiums gemacht? Für ein Entwicklungshilfeprojekt der Steyler Mission in Bolivien wollte der 25-Jährige aus dem Landkreis Sigmaringen eine Biomasse-Anlage für den Hausgebrauch entwickeln und bauen. Dafür reiste er in den Dschungel im Osten des Landes, verschaffte sich vor Ort einen Überblick über die Situation und Lebensgewohnheiten auf dem Land, das zu den ärmsten Regionen Südamerikas gehört. Nach ersten Versuchen, die jedoch nicht das gewünschte Ergebnis erzielten, entschloss sich Jan Schellinger, der Problematik umfassender und in wissenschaftlicher Tiefe zu widmen. Schellinger machte auf eigene Faust weiter und suchte sich an der Hochschule Biberach die notwendige Unterstützung, die er neben seinem betreuenden Professor, Dr.-Ing. Alexander Floß, in Professorin Dr. Heike Frühwirth fand.
Die Verfahrenstechnikerin ist Studiendekanin des noch jungen Studienganges Industrielle Biotechnologie. Auch dieser Studiengang beschäftigt sich mit der Erzeugung von Energie und Wertstoffen. Dr. Frühwirth beispielsweise hat einen Schwerpunkt ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit auf Algenbiotechnologie gesetzt. In innovativen Algen-Produktionssystemen werden Pigmente und hochwertige Omega-3- Fettsäuren erzeugt. Mikroalgen aber seien auch Allrounder, die ausgezeichnet in Abwasser wachsen und dieses „ganz nebenbei“ aufreinigen, so die Expertin. Eine Schnittmenge zwischen dem energietechnischen und dem verfahrenstechnischen Bereich der Biotechnologie war also gefunden. Als angehender Ingenieur für Energiesysteme hieß das für Schellinger: Mikrobiologie, Fermentationstechnik, Labortechnik pauken! Von nun an begleitete er die Biotechnologie-Studenten von Prof. Frühwirth zu einer Fachmesse für Labortechnik, wälzte Biologie- und Chemiebücher und studierte die Skripte seiner Kommilitonen für Bioprocessing und Fermentation. Im Labor der Industriellen Biotechnologie baute er seinen Versuchsstand um eine blaue Chemie-Tonne herum auf, verbaute darin Messtechnik und startete seine dreiwöchige Versuchsreihe, in er seine Biogasanlage mit Dung, Gras und Speiseresten befüllte.
Als Ergebnis konnte er bei seinem Abschlusskolloquium vor den betreuenden Professoren Heike Frühwirth und Alexander Floß sowie Kommilitonen beider Fachrichtungen darstellen, wie seine Anlage funktioniert – und wie viel Biogas sie bei gegebener Befüllung erzeugt. Unerlässlich, so Schellinger, sei ein Rührwerk für die stehende Anlage. Der junge Ingenieur sieht einige Verbesserungsmöglichkeiten bei der technischen Ausführung wie bei der Substratwahl. Unterm Strich aber kann Schellinger belegen, dass „eine Biogasanlage ein lohnendes und fortschrittliches Entwicklungsprojekt darstellt“.
Für Dr. Heike Frühwirth war es „großartig zu sehen, wie Studierende verschiedener Studiengänge über den Tellerrand gucken und auf direktem Weg von einander profitieren.“ Und ihr Kollege Dr. Floß sieht „großes Potenzial für weitere gemeinsame Projekte in Lehre und Forschung, an denen die Studierenden beider Studiengänge beteiligt werden können“.
Und wie geht es nun weiter? Jan Schellinger hat seinen Bachelor-Abschluss in der Tasche, sein Projekt ist damit abgeschlossen. Seinem Kolloquium haben auch Mitglieder von Ingenieure ohne Grenzen zugehört – und das mit Interesse. Vielleicht wird seine Idee, nun mit konkreten Ergebnissen hinterlegt, ja doch noch in einem Entwicklungshilfeland aufgegriffen. Schellinger selbst will sein Wissen weiter vertiefen, ob im Entwicklungsbereich, der Energietechnik oder vielleicht sogar der Biotechnologie, ist noch nicht entscheiden. „Ich bin auf jeden Fall gespannt, was als nächstes auf mich zukommt“, sagt er.
Für die Hochschule sieht der 25-Jährige vielfältige Möglichkeiten für die auf den ersten Blick völlig unterschiedlichen Disziplinen Energie-Ingenieurwesen und Industrielle Biotechnologie. Sein eigener Ausflug in die Biotechnologie hat ihm Kompetenzen eingebracht und vor allem neue Freundschaften: „Der Studiengang Industrielle Biotechnologie ist wie eine kleine Familie. In die bin ich aufgenommen worden“.