Preisträger des Wissenschaftspreises Logistik 2015 ist Dr.-Ing Tobias Krühn. Er überzeugte die Jury unter Vorsitz von Prof. Wolfgang Kersten mit seinem Vortrag während des 32. Deutschen Logistik-Kongresses in Berlin und setzte sich gegen drei weitere Kandidaten der Finalrunde durch. Der Titel seiner Dissertation: „Dezentrale, verteilte Steuerung flächiger Fördersysteme für den innerbetrieblichen Materialfluss“. Die Arbeit entstand am Institut für Transport- und Automatisierungstechnik der Leibniz Universität Hannover und wurde von Prof. Ludger Overmeyer betreut. Krühn ist als Softwareingenieur bei der Sennheiser electronic GmbH & Co. KG tätig.
Zum Hintergrund: Intralogistiksysteme stehen vor neuen Herausforderungen. Kleiner werdende Losgrößen und Liefermengen, verursacht durch die zunehmende Individualisierung von Produkten, stellen erhebliche Anforderungen an den innerbetrieblichen Materialfluss. Produktlebenszyklen werden zunehmend kürzer, während die Vermarktung, unterstützt durch moderne Kommunikationsmittel und den Onlinehandel, immer schneller erfolgt. Als Folge bleiben produzierenden Unternehmen und Logistikdienstleistern entlang der Lieferkette immer kürzere Reaktionszeiten, um auf veränderte Anforderungen wie Nachfrageschwankungen und veränderte Produkte zu reagieren. Die Intralogistik stellt einen Schlüsselfaktor zur Gewährleistung kurzer Reaktionszeiten der Unternehmen dar. Die Flexibilität von intralogistischen Systemen wird also zu einer maßgeblichen Größe im Wettbewerb. Kann eine bestehende Anlage trotz hoher Flexibilität nicht ausreichend auf veränderte Anforderungen reagieren, stellt sich die Frage nach deren Wandlungsfähigkeit. Gesucht werden daher technische Lösungen, die deutlich flexibler als bisher auf Anforderungsänderungen reagieren. Dies betrifft sowohl die mechanische Realisierung als auch die Steuerung dieser Systeme.
Es gibt also einen Konflikt zwischen dem Bedarf an flexiblen Intralogistiklösungen und den verfügbaren fördertechnischen Komponenten. Ziel der Arbeit von Tobias Krühn war es, Algorithmen zur dessen Bewältigung zu entwerfen und so zu zeigen, dass die Steuerung eines hoch komplexen Systems durch die Kooperation vergleichsweise einfacher Grundmodule möglich ist. Am Institut für Transport- und Automatisierungs-
technik wurden kleinskalige, multidirektionale Fördermodule entwickelt, die, zusammengesteckt zu einer größeren Matrix, kooperativ fördertechnische Aufgaben lösen können. Mechanisch sind sie in der Lage, sämtliche häufig auftretenden Aufgaben, wie das Sortieren, Zusammenführen, Drehen und Sequenzieren, durchzuführen und bieten somit die einzigartige Möglichkeit, alle Aufgaben auf dasselbe Grundmodul abzubilden. Bislang fehlten allerdings die erforderlichen Algorithmen, um eine große Anzahl dieser Module zu steuern.
Der wesentliche Kern der Algorithmen ist, dass Entscheidungen ausschließlich auf Basis lokaler Informationen getroffen werden. Wechselwirkungen über lokale Nachbarschaften hinweg werden erreicht, indem Informationen von Modul zu Modul weitergegeben werden. Die daraus resultierende zeitliche Verzögerung wird von den Algorithmen berücksichtigt. Hieraus folgt, dass ein Informationsaustausch über größere Entfernungen auf der Modulmatrix möglich, aber zeitlich entkoppelt ist. Das System bleibt skalierbar.
Mit dem kleinskaligen, dezentral gesteuerten Fördermodul werden erstmals Funktionen wie das Sortieren, Rotieren und Sequenzieren unabhängig von der maximalen Größe der Güter in einem Fördersystem vereint. Bestehende Anlagen werden dadurch erheblich leichter umrüstbar. Neu zu planende Systeme können zunächst kleiner und kostengünstiger ausgelegt werden, da eine spätere, aufwandsarme Anpassung an die geschäftliche Entwicklung ermöglicht wird.
Der Wissenschaftspreis Logistik ist mit € 10.000,– für den Preisträger und € 10.000,– für das betreuende Institut dotiert und wird 2015 wieder von der BASF gesponsert. Der Preis wird von der BVL jedes Jahr ausgeschrieben. Als Bewerber zugelassen sind Wissenschaftler aller Sparten der Logistik mit ihren Dissertations- bzw. Habilitationsschriften, Projektstudien oder Monographien, die einen engen Bezug zu praxisnahen logistischen Fragestellungen aufweisen. Entscheidend für die Wertung sind der Praxisbezug sowie der Neuheitscharakter der Arbeiten.