Autonomes System ermöglicht Lokalisierung von Einsatzkräften in Gebäuden ohne Funkverbindung nach außen.
Ob bei Bränden, nach Erdbeben oder in anderen Gefahrensituationen – oft müssen Rettungskräfte Personen aus Gebäuden befreien. Diese Einsätze stellen jedoch ein hohes Risiko dar: Gefahren lassen sich vorab schwer einschätzen, auch die Helferinnen und Helfer selbst können in Not geraten. Um sie schnellstmöglich unterstützen zu können, haben Wissenschaftlerinnen und Wissen- schaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) ein System zur Lokalisierung verletzter oder verschütteter Rettungskräfte in Gebäuden entwickelt, das ohne GPS-Signal auskommt.
Gängige Lokalisierungsmethoden, die im Außenbereich funktionieren, stoßen in Gebäuden an ihre Grenzen. So ist eine Satellitenortung, beispielsweise per GPS, sehr ungenau, sobald Hindernisse den direkten Sichtkontakt zum Satelliten beeinträchtigen. „Auch ein funktionierendes WLAN-Signal für eine Funkortung oder Baupläne eines Gebäudes können in Krisensituationen nicht vorausgesetzt werden“, sagt Nikolai Kronenwett vom Institut für Regelungs- und Steuerungssysteme des KIT. „Bislang existiert noch keine Technologie, die eine zuverlässige Indoor-Lokalisierung ermöglicht.“ Gemeinsam mit Gert Trommer, emeritierter Professor des KIT, hat Kronenwett ein autonomes System entwickelt, das eine Lokalsierung von Einsatzkräften speziell in Gebäuden ohne Funkverbindung nach außen realisert.
System für den Fuß misst Richtung und Geschwindigkeit
Das Messsystem ist nur wenige Zentimeter groß und lässt sich leicht am Schuh der Nutzerin oder des Nutzers befestigen. Durch Sensoren, die Beschleunigungen und Drehraten messen, erkennt es, in welche Richtung und mit welcher Geschwindigkeit sich eine Person bewegt – eine Techno-logie, die beispielsweise auch in Smartwatches eingesetzt wird. „Das größte Alleinstellungsmerkmal des Messsystems ist die intelligente Standphasen-Klassifikation. Sie analysiert den menschlichen Gang und unterteilt ihn in vier verschiedene Phasen: die Stand- und die Abrollphase, die Schwung-phase sowie die Belastungsantwort“, so Kronenwett. Dies entspreche einem normalen Vorwärtsschritt. Außerdem erkenne die Sensorik durch die Montage des Messsystems am Fuß, wann der Nutzer stehen bleibt. Durch diese Null-Geschwindigkeitsmessungen könnten Sensorfehler geschätzt und kompensiert werden. Das verbessere die Genauigkeit der Lokalisierung enorm, so die Forscher.
Vor dem Betreten eines Gebäudes erfasse das System einmalig die aktuelle Position mittels GPS. Danach werden keine weiteren Signale benötigt. Die Lokalisierung der Person geschieht allein durch einen Algorithmus, der den aktuellen Standort auf Grundlage der Bewegungsinformationen berechnet, welche die Sensoren liefern. Über eine externe, unabhängige Funkverbind-ung werden dann die aktuellen Positionen aller Einsatzkräfte dem Einsatz-leiter auf einen Computer übermittelt. So kennt dieser in einer Notsituation den genauen Standort der einzelnen Personen und kann schnellstmöglich reagieren.
System für die Hand scannt die Umgebung
Neben dem Messsystem für den Fuß arbeitet Kronenwett außerdem an einem handgetragenen System. „Das Fußsystem bestimmt sehr genau die Position des Nutzers, es übermittelt aber keine Informationen über die Umgebung und den Aufbau des Gebäudes“, so der Wissenschaftler. „Das handgetragene System erhält eine Kamera, die mit Infrarot die Umgebung abscannt und so ein 3D-Modell der Räume erstellt, durch die eine Person läuft.“ Hiermit erhalte der Einsatzleiter einen besseren Überblick über die Situation innerhalb des Gebäudes.
Das Messsystem könne aber nicht nur bei der Ortung von in Not geratenen Rettungskräften helfen. Es könnte auch eingesetzt werden, um Polizei und Sicherheitspersonal an Flughäfen, Einkaufszentren oder (U-)Bahnhöfen zu lokalisieren, um Minenarbeiter in unterirdischen Höhlen oder Stollen zu orten oder auch als Orientierungshilfe für Blinde.