Ein Wärmenetz für 1500 Einwohner: Um die nachhaltige Wärmeversorgung und damit die Energiewende voranzutreiben, untersucht die Stadt Rottenburg am Neckar ein klimafreundliches Nahwärmenetz für den Ortsteil Oberndorf. Ob und wie es machbar ist, das prüfen derzeit die Energieexperten von Drees & Sommer, einem auf Bau und Immobilien spezialisierten Planungs- und Beratungs- unternehmen mit Sitz in Stuttgart. Die Machbarkeitsstudie wird zu 75 Prozent von der staatlichen KfW-Bank bezuschusst. Im Herbst 2023 sollen erste Ergebnisse vorliegen.
„Was das Heizen betrifft, sind wir im Raum Rottenburg noch stark von Öl und Erdgas abhängig. Das wollen wir ändern und prüfen beginnend mit Oberndorf verstärkt die Möglichkeiten für eine klimaneutrale Wärmeversorgung in unseren Stadtteilen. Lokale Wärmenetze stehen dabei besonders im Fokus“, sagt Jörg Weber, Klimaschutzbe- auftragter der Stadt Rottenburg. Damit bekommt auch die Bürgerinitiative „Oberndorfer Nahwärme“, die sich seit rund zwei Jahren aktiv für den Ausbau eines Nahwärmenetzes im ländlichen Oberndorf einsetzt, Rückenwind seitens der Stadt.
Die fachliche Expertise und die Grundlagen dazu soll nun eine Machbarkeitsstudie liefern, die das Stuttgarter Planungs- und Beratungsunternehmen Drees & Sommer im Rahmen eines integrierten energetischen Quartierskonzepts erarbeitet. „Nahwärmenetze sind nicht nur umweltfreundlich, sondern lohnen sich oft auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Zum Beispiel fallen die Kosten für die Anschaffung und Wartung der Heizungstechnik in einzelnen Gebäuden weg und die Investition in die zentrale Heizanlage verteilt sich auf alle angeschlossene Haushalte. Durch die gemeinsame Nutzung werden zudem die Anlagen besser genutzt und Potenziale voll ausgeschöpft“, erklärt Anika Zwiener, Projektleiterin und Energiemanagerin bei Drees & Sommer.
Kein Wärmenetz ohne Daten
Derzeit führen die Energieexperten von Drees & Sommer eine Bestandsanalyse durch und erfassen systematisch das gesamte Dorfgebiet – vom Alter und Zustand der Gebäude über die Bebauungsdichte bis hin zu möglichen Wärmequellen. „Um ein Nahwärmenetz zu planen, braucht es viele Daten – selbst in einem Dorf. Viele alte oder gar historische Gebäude und Infrastruktur machen es zu einer besonderen Herausforderung. In Obern- dorf kommt zum Beispiel Geothermie wegen des gipshaltigen Untergrunds nicht infrage. Es gilt also zu prüfen, welche alternativen Wärmequellen technisch und wirtschaftlich möglich sind. Je mehr Daten uns vorliegen, desto genauer können wir die notwendigen Maßnahmen beurteilen“, berichtet Anika Zwiener weiter. Die ersten Ergebnisse will das Expertenteam im Herbst 2023 vorlegen. Auf der Grundlage der Vorstudie kann die Stadt Rottenburg dann entscheiden, ob und wie sie das Nahwärmenetz umsetzten will und mit der konkreten Planung beginnen. Im Gesamtkonzept werden auch die notwendigen Gebäudesanierungen, das Thema Mobilität und die Maßnahmen zur Klimaanpassung berücksichtigt.
Wachsendes Interesse an Nahwärme
Aufgrund der gestiegenen Energiepreise und dank der staatlichen KfW-Förderung in Höhe von 75 Prozent wächst das Interesse an kommunalen und quartiersübergreifenden Nahwärmenetzen deutschlandweit. „Neben finanzieller Hilfe gibt die Förderung Kleinstädten und Kommunen wie Oberndorf die Möglichkeit, vertieft und umfangreich strategisch anspruchsvolle Quartiere zu untersuchen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten“, erklärt die Drees & Sommer-Energiemanagerin. Allein in der Region Baden-Württemberg begleitet sie mit ihren Fachkolleg:innen derzeit mehrere Projekte dieser Art, so zum Beispiel in Stuttgart-Plieningen. Auch in Stuttgarter Stadtteilen Möhringen, Stuttgart-Rot und Obertürkheim hat das Expertenteam einen Nahwärme-Ausbau bereits geprüft und energetische Quartierskonzepte erstellt. Den strategischen Handlungsrahmen gibt in Baden-Württemberg seit einigen Jahren die verpflichtende kommunale Wärme- planung vor. Mit der anstehenden Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) soll die Pflicht für eine kommunalen Wärmeplanung bundesweit gelten.