Elektrobranche im Demografieknick

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VDE-Ingenieurstudie 2010: exzellente Karrierechancen, drastischer Demografieknick


Trend zur „All electric society“ steigert Bedarf- Auf G8-Abiturienten-Welle folgt 2020 demografischer Einbruch-Zahl der Studienabbrecher verringern


Elektromobilität, Smart Grids, Telemedizin: drei Leitmärkte der Zukunft, drei Chancen für den Standort Deutschland, und nur drei von vielen Beispielen für den Eintritt ins „zweite Stromzeitalter“. Intelligente Verbindungen von Technologien und Anwendungen durchziehen immer mehr Branchen. Damit wird elektrotechnisches Know-how für die deutschen Schlüssel- und Exportindustrien immer wichtiger. Der Elektro- und IT-Anteil an der Wertschöpfung wächst, die Nachfrage nach hochqualifizierten Fachkräften steigt – auch außerhalb der Elektro- und IT-Branche. Dadurch eröffnen sich jungen Ingenieurinnen und Ingenieuren in der Elektro- und Informationstechnik vielfältige faszinierende Tätigkeitsfelder und ein krisenfester Beruf mit attraktiven Verdienst- und Karrierechancen. Dennoch ergreifen immer noch zu wenige Jugendliche und insbesondere zu wenige Frauen das Studium der Elektrotechnik. Zu geringe Studienanfänger- und Absolventenzahlen und eine hohe Abbrecherquote bei gleichzeitig steigendem Ersatz- und Zusatzbedarf werden spätestens 2020 zu einer drastischen Ingenieurlücke in der Elektro- und Informationstechnik führen. Zu diesem Ergebnis kommt die VDE-Ingenieurstudie 2010. „Das künftige Ausmaß und die Folgen des Ingenieurmangels werden oft noch unterschätzt. Ausgerechnet in dem Zeitkorridor, in dem man mit deutscher Ingenieurkunst in wichtigen Zukunftsmärkten durchstarten sollte, könnten uns die dafür nötigen exzellent qualifizierten Ingenieure der Elektro- und Informationstechnik fehlen. Wir müssen an allen Stellschrauben drehen, um hier die Trendwende zu schaffen – von der Information und Motivation über die Verbesserung der Ausbildung bis hin zu neuen Wegen, die weg vom Brain Drain hin zum Brain Gain führen“, so VDE-Vorstandsvorsitzender Dr.-Ing. Hans Heinz Zimmer.


Krisenfester Beruf mit attraktiven Karriereperspektiven


Die arbeitsmarktpolitisch erfreuliche Nachricht lautet: Auf dem Arbeitsmarkt für Elektroingenieure herrscht praktisch Vollbeschäftigung. Die Arbeitslosenquote blieb auch im vergangenen Krisenjahr mit unter drei Prozent deutlich unter der durchschnittlichen Arbeitslosenquote und wird nach VDE-Prognosen bald wieder auf unter zwei Prozent sinken. Besonders gesucht sind nach wie vor Elektroingenieure im Bereich Engineering/Projektierung und Forschung/Entwicklung. Die größten Zuwächse bei der Nachfrage sind nach dem Adecco Stellenindex 2010 gegenüber dem Vorjahr in den Bereichen IT-Dienstleistungen (82 Prozent mehr Stellenanzeigen) und Produktion (plus 34 Prozent) zu verorten.


Regional konzentriert sich der Bedarf an Elektroingenieuren auf die Hightech-Regionen der wirtschaftsstarken und bevölkerungsreichen Bundesländer. Im Bundesländer-Ranking um gemeldete offene Stellen für Elektroingenieure standen im Juni 2010 Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen mit aktuell weit über 400 offenen Stellen auf den Plätzen eins und zwei, gefolgt von Bayern mit etwa 275 sowie Hessen und Niedersachsen mit etwa 150. Sachsen führt mit 100 offenen Stellen das Feld der übrigen Bundesländer an. Auffällig sind – mit Abstrichen bei Bayern, wo sich der Bedarf stark auf das Hightech-Zentrum München konzentriert – die klaren Parallelen zwischen der Wirtschaftskraft und der Zahl der offenen Stellen für Elektroingenieure, was die Bedeutung der Elektro- und Informationstechnik für die Wirtschaftskraft unterstreicht.


Wie die Technologien und Anwendungen, so befindet sich auch der Ingenieurberuf seit einigen Jahren in einem Wandel. Einerseits wachsen die Anforderungen an Elektroingenieure, andererseits bietet der Ingenieurberuf vielfältigere Einstiegspositionen in einem breiteren Spektrum von Tätigkeitsfeldern als je zuvor. Die Karriere- und Verdienstchancen sind vergleichsweise sehr gut. Die Mehrheit der Absolventen der letzten Jahre benötigte nur ein bis zwei Vorstellungsgespräche bei weniger als zehn Bewerbungen, um eingestellt zu werden. Das mittlere Einstiegsgehalt liegt derzeit bei 42.000 Euro. Ein großer Teil der Elektroingenieure ist nach vier bis sechs Berufsjahren bereits Projekt-, Gruppen- oder Abteilungsleiter. Nach sieben bis acht Berufsjahren haben viele ihr Einstiegsgehalt um mehr als 50 Prozent gesteigert. Diese Faktoren tragen erheblich zur großen Berufszufriedenheit bei, die VDE-Umfragen immer wieder belegen.


Gravierender „Ingenieur-Gap“ ab 2020


Für 2010 rechnet der VDE mit einem Gesamtbedarf an Elektroingenieuren von circa 12.000, während die Zahl der Hochschulabsolventen auf unter 9.000 geschätzt wird. Wegen der wachsenden Bedeutung der Elektrotechnik in Zukunftsmärkten wie Elektromobilität, Smart Grids oder Ambient Assisted Living wird diese Relation auch für die nächsten Jahre gelten. Der demografische Wandel wird gegen 2020 nach VDE-Berechnungen die Lücke von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt für Elektroingenieure weiter vergrößern. Die Zahl der Hochschulabsolventen wird bis 2020 um elf Prozent sinken, die Zahl der aus dem Berufsleben ausscheidenden Ingenieure dagegen um 22 Prozent steigen.


Kein Optimismus trotz leicht steigender Studienanfängerzahlen


Obwohl die Attraktivität des Elektroingenieurberufs groß ist und große Anstrengungen in der Nachwuchsarbeit unternommen werden, ist der Beliebtheitsindex für den Studiengang im Vergleich zu anderen Studiengängen leicht rückläufig. Die Studienanfängerzahlen sind zwar in den vergangenen Jahren leicht gestiegen, verharren aber mit rund 18.000 Studienanfängern auf zu niedrigem Niveau und werden durch steigende Abbrecherquoten neutralisiert. 8.300 Absolventen der Universitäten und Fachhochschulen für 2010 sind zu wenig, um den künftigen Bedarf zu decken. Bis 2013 werden die Absolventenzahlen laut VDE-Berechnungen vermutlich unter der 9.000er-Marke bleiben. Der Frauenanteil in der Elektrotechnik liegt mit sieben Prozent (Fachhochschulen) beziehungsweise zehn Prozent (Universitäten) erheblich unter dem Frauenanteil in den Fächern Jura (53 Prozent) und BWL (47 Prozent) sowie deutlich unter dem Anteil in anderen Industrieländern. Der Ausländeranteil ist dagegen in der Elektrotechnik mit 17 Prozent (Fachhochschulen) beziehungsweise 30 Prozent (Universitäten) relativ hoch. Kehren die ausländischen Absolventen in ihre Heimatländer zurück, verstärkt sich der Expertenmangel in Deutschland zusätzlich.


Ein Grund für das zunehmende Nachwuchsproblem ist der demografische Wandel. Zwischen 2009 und 2025 wird nach VDE-Berechnungen die Zahl der Schulabgänger mit Hochschul- beziehungsweise Fachhochschulreife von 260.000 auf circa 200.000 sinken. Die zwei G8-Abitur-Wellen mit 300.000 beziehungsweise 270.000 (Fach-) Abiturienten stellen die Hochschulen kurzfristig vor große Herausforderungen, ändern aber nichts an der langfristigen Prognose des Ingenieurmangels. Ein weiteres Problem ist die hohe Studienabbrecherquote, die nach Schätzungen des VDE bei den Absolventenjahrgängen von 1993 bis 2006 an Universitäten von etwas über 40 auf circa 50 Prozent, an Fachhochschulen von 30 auf knapp 40 Prozent gestiegen ist. Der Bologna-Prozess dürfte – unter anderem bedingt durch Umstellungsprobleme und ein strafferes Studium – die Situation noch verschärft haben. Hinzu kommen Defizite in der mathematisch-naturwissenschaftlichen Vorbildung, auf die bereits in zahlreichen VDE-Studien hingewiesen wurde.


Bologna „Plus“ mit Qualitätsmarken „Diplom“ und „Ingenieur“


Die angespannte Nachwuchssituation sollte nach Auffassung des VDE nicht dazu führen, das Qualifikationsniveau für Elektroingenieure zu senken. Der VDE begrüßt das Ziel des Bologna-Prozesses, zu einer größeren internationalen Vergleichbarkeit der Studiengänge zu kommen. Gleichzeitig bietet sich die Chance, Studienpläne zu modernisieren und qualitätssichernde Maßnahmen zu verstärken. Der VDE hält es dabei auch für wichtig, dass Absolventen über eine solide Basisausbildung verfügen, auf der spätere Spezialisierungen aufbauen, und dass sich Absolventen weiterhin als „Ingenieure“ bezeichnen. Eine Wiedereinführung der Bezeichnung „Dipl.-Ing.“ als nationale und international anerkannte Marke wird derzeit insbesondere an Universitäten diskutiert. Einige Universitäten haben dieses „Markenzeichen“ für Ingenieurwissen und -können „Made in Germany“ teilweise beibehalten beziehungsweise wieder eingeführt. Dies steht nicht im Widerspruch zur Bologna-Erklärung, in der eine Zweistufigkeit, nicht aber die Bezeichnungen der Abschlussgrade vorgegeben wurden.


Schiefe Bilder und Informationsdefizite über den Ingenieurberuf beim Nachwuchs


Aktuelle Befragungen zeigen, dass lediglich elf Prozent der Schüler und Schülerinnen einen Ingenieurberuf anstreben. Sogar von den technisch Interessierten, die mehrheitlich (60 Prozent) Mathematik als Leistungskurs gewählt hatten, möchte nur ein Bruchteil einen Ingenieurberuf ergreifen. Zwar ist das Ansehen von Elektroingenieuren in der Bevölkerung hervorragend – laut einer repräsentativen Umfrage kamen Naturwissenschaftler und Ingenieure direkt hinter Ärzten auf die Plätze zwei und drei – viele Schüler glauben aber eher noch an das Bild des zurückgezogenen, leicht verschrobenen Tüftlers. Auch Professoren der Elektrotechnik/Informationstechnik sind einer Umfrage des VDE zufolge mehrheitlich der Ansicht, fähige Talente deswegen zu verlieren, weil sich junge Leute von einem BWL- oder Jura-Studium größere Karrierechancen versprechen.


Nach Ansicht des VDE fehlt es nicht in erster Linie an Technikinteresse, sondern hauptsächlich an Informationen und Rollenvorbildern. Inzwischen werden junge Menschen mit zahlreichen Projekten und Aktionen angesprochen, die das Technikinteresse und Techniktalente fördern sollen. Insgesamt gibt es bundesweit sogar über 1.000 Aktivitäten verschiedenster Akteure zur Nachwuchsmotivation, die jedoch oft nicht nachhaltig genug sind. Neben einer stärkeren Differenzierung – mehr interdisziplinäre Zusammenhänge für „Schaulustige“, gezielte Vertiefung für „technisch Interessierte“ – sieht der VDE in der Verbindung mehrerer Projekte und Institutionen zu einem Gesamtkonzept, in einem kontinuierlichen Technik-Curriculum für den gesamten Bildungsweg und in der Vermittlung positiver Rollenvorbilder wichtige Ansatzpunkte dafür, mehr Jugendliche für die Elektro- und Informationstechnik zu gewinnen. Der VDE bestärkt die Unternehmen deshalb auch darin, die Leistungsträgerschaft von Ingenieuren und führenden Ingenieurköpfen stärker herauszustellen, um Rollenvorbilder für den Nachwuchs zu schaffen. Ein vielversprechender Ansatz dazu ist das verstärkte Angebot von „Expertenkarrieren“ in Unternehmen.


Nur mit Elektroingenieuren auf die Überholspur


Bereits heute ist jede dritte technologische Entwicklung der Anwenderbranchen auf Innovationen der Elektroindustrie zurückzuführen – Tendenz steigend. Mehr als 50 Prozent der gesamten deutschen Industrieproduktion und über 80 Prozent der Exporte hängen von der Elektro- und Informationstechnik ab. Das „zweite Stromzeitalter“ wird einen weiteren Bedeutungsgewinn mit sich bringen. Beispiel E-Mobility: Schon jetzt sind im Automobilbau rund 80 Prozent aller Innovationen auf Neuerungen aus dem Bereich Elektrotechnik, Elektronik und IT zurückzuführen. Ihr Anteil an der Wertschöpfung liegt bei etwa 30 Prozent. Bei Elektrofahrzeugen für den individualisierten Personenverkehr wird ein Anteil von 70 Prozent der Wertschöpfung durch die Batterien und das elektrische Antriebssystem inklusive Leistungselektronik erwartet.


Aus VDE-Sicht stehen Deutschland und Europa vor wichtigen Weichenstellungen für die Zukunft des gesamten Wirtschaftsraumes. Einerseits eröffnet die gegenwärtige Technologie-position die Chance, die Schubkraft der Elektro- und Informationstechnik mit intelligenten Verbindungen aus Technologie und industrieller Anwendung für die großen Leitmärkte der Zukunft zu nutzen. Dazu bedarf es aber des Wissens und Könnens von Ingenieuren der Elektro- und Informationstechnik von hoher Qualität und in ausreichender Quantität.


http://www.vde.com


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