Am 1. Oktober 2019 startete das EU-geförderte Projekt »Switch2Save«, welches es sich zur Aufgabe gemacht hat, Smarte Gläser und die dazugehörigen Fertigungsprozesse für eine bessere Kosteneffizienz und Verfügbarkeit weiterzuentwickeln.
Smarte Gläser – wie beispielsweise elektrochrome (EC) und thermochrome (TC) Fenster – erlauben die Steuerung der Wärmestrahlung in das Gebäude per »Knopfdruck« und ermöglichen es so, den Heiz- und Klimatisierungs-energiebedarf großer Gebäude drastisch zu reduzieren. Darüber hinaus bieten sie einen hohen Lichtkomfort im Innenbereich im Vergleich zu herkömmlichen Jalousien.
Der Klimawandel ist heute in aller Munde und die Klimaziele werden in Politik, Gesellschaft und Industrie weitreichend diskutiert. Es wird mit Hochdruck an Lösungen geforscht, die eine Verringerung des Ausstoßes klimaschädlicher Gase wie Kohlenstoffdioxid in allen Lebensbereichen ermöglichen. Ein Baustein für eine nachhaltige Zukunft ist die EU-Richtlinie für energieeffiziente Gebäude, die darauf abzielt bis 2050 einen vollständig emissionsfreien Gebäudebestand in ganz Europa zu erreichen.
In modernen Gebäuden tragen Fenster und Glasfassaden – je nach Größe der Glaselemente – bis zu 60% zum Energieaustausch mit der Umwelt bei. Im Winter wird Wärme nach außen abgegeben, während im Sommer die Sonneneinstrahlung den Gebäudeinnenraum massiv erwärmt. Dies erhöht den Energiebedarf für Klimatisierung und Kühlung. Große Fenster und Glasfassaden – ein häufiges Gestaltungselement in modernen und großen Gebäuden – verstärken diesen Effekt.
Heute werden mechanisch verstellbare Jalousien und Verschattungen zur Steuerung der Sonneneinstrahlung in Abhängigkeit von Tageszeit, Temperatur und Sonneneinstrahlung eingesetzt. Sie beeinflussen oder beeinträchtigen jedoch stark den Komfort und die Lichtverhältnisse im Inneren des Gebäudes. Darüber hinaus stören die außen angebrachten Verschattungen insbesondere bei großen, repräsentativen Gebäuden die Gesamtansicht.
Smarte Gläser haben das Potenzial, Fensterjalousien künftig vollständig zu ersetzen. Sie sind bisher jedoch noch nicht auf Energieeinsparung optimiert. Weiterhin sind sie sehr teuer und nur begrenzt verfügbar. Die von der EU geförderte Initiative Switch2Save hat das Ziel, diese Einschränkungen zu überwinden und elektrochrome und thermochrome Systeme für große Fenster und Glasfassaden verfügbar zu machen. Elektrochromie basiert auf Materialien, die ihre Lichtdurchlässigkeit durch Anlegen einer elektrischen Spannung ändern; thermochrome Zellen basieren auf Materialien, die ihre Infrarot-Reflexionseigenschaften mit steigender Temperatur ändern.
Das Switch2Save-Konsortium setzt sich aus führenden Universitäten, Forschungseinrichtungen und Industriepartnern aus sechs verschiedenen EU-Ländern zusammen. Innerhalb der nächsten vier Jahre werden die Partner gemeinsam eine optimierte Kombination aus EC- und TC-Zellen für ein maximales Energieeinsparpotenzial basierend auf einem schaltbaren Gesamtenergiedurchlassgrad (g-Wert) entwickeln. Sie werden die Fertigungstechnologien sowohl für die EC/TC Materialien als auch für die Integration in Isoliergläser für eine höhere Verfügbarkeit und Kosteneffizienz weiterentwickeln. Das Einsparpotenzial von Heiz- und Kühlenergie sowie der Lichtkomfort wird anhand von zwei repräsentativen Gebäuden in Griechenland und Schweden umfassend bewertet und demonstriert.
Projektkoordinator Dr. John Fahlteich, Fraunhofer FEP, erklärt das Potenzial der Technologie: »Experten schätzen, dass sich der Energiebedarf für die Klimatisierung und Kühlung von Gebäuden bis 2050 mehr als verdoppeln wird! Darüber hinaus benötigen große Glasfassadengebäude (Einkaufszentren, Flughäfen, Bürogebäude) bis zu 35% mehr Energie zum Heizen und bis zu fünfmal mehr Energie zum Kühlen als moderne Gebäude mit kleinen Fenstern. Mit der Switch2Save-Lösung kann der gesamte jährliche Heiz- und Kühlenergiebedarf solcher großen Glasgebäude um bis zu 44% reduziert werden. Dies wird durch intelligente Schaltprotokolle erreicht, die auf lokalen Echtzeit-Wetter- und Temperaturdaten und den Beleuchtungsbedingungen im Gebäude basieren«.
Die Switch2Save EC- und TC-Module basieren auf nanoskaligen Dünnfilmschichten, die mittels großflächiger Vakuum- und Atmosphärendruckabscheidung auf Kunststofffolien oder ultradünnen Glasbahnen aufgebracht werden. Die Module haben ein spezifisches Gewicht von weniger als einem Kilogramm pro Quadratmeter – viel weniger als eine einzige Glasscheibe in einem Fenster. Sie lassen sich in einem Laminationsschritt leicht in IGUs integrieren, um eine Fenster- und Glasfassadenfertigung mit etablierten Verfahren zu ermöglichen – eine wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz der neuen Technologie bei den Bauunternehmen. Drahtloses Schalten und Standardschnittstellen zu Gebäudeautomatisierungssystemen werden den Bedürfnissen der Gebäudeeigentümer gerecht und sichern maximale Energieeinsparungen im Betrieb.
»Switch2Save« wird das Potenzial in zwei repräsentativen Gebäuden demonstrieren – dem zweitgrößten Krankenhaus Griechenlands in Athen und einem Bürogebäude in Uppsala, Schweden. Das Switch2Save-Konsortium wird dort 50 Fenster und 200 m² Glasfassadenfläche durch neue, smarte Gläser ersetzen und einen vollständigen »Vorher-Nachher«-Vergleich des Energiebedarfs für einen Jahreszyklus in beiden Gebäuden durchführen. Die Ergebnisse werden die flächendeckende Einführung von Smarten Gläsern beschleunigen und das europäische Ziel eines CO2-neutralen Gebäudebestandes in der EU bis 2050 maßgeblich unterstützen.
Sonnenlicht auf Knopfdruck regeln
Die Forscher des Fraunhofer ISC arbeiten seit mehr als 15 Jahren erfolgreich an sogenannten elektrochromen Materialien und Elementen für technische Anwendungen. Diese neuartigen Materialien verändern durch elektrischen Strom ihre Farbeigenschaften. Aufgebracht als dünne Schichten auf transparent, leitfähigen Substraten können diese auf Knopfdruck ihre Farbe intensivieren oder komplett entfärbt werden.
Im gerade neu gestarteten, von der Europäischen Union geförderten Projekt Switch2Save bringt das Fraunhofer ISC seine Erfahrung bei der Herstellung von elektrochromen Schichten mittels Rolle-zu-Rolle-Prozessen auf flexiblen Substraten ein und unterstützt die Forschungs- und Industriepartner bei der Hochskalierung der Verfahren und der Systementwicklung. »Vorteil unserer elektrochromen Technologien sind neuartige Materialien, die einen hohen Farbkontrast und kurze Schaltzeiten aufweisen. Die R2R Prozessierbarkeit bietet zusätzlich großes Potenzial für eine zukünftige Kostensenkung bei der Herstellung elektrochromer Elemente«, erklärt Dr. Marco Schott, Leiter des Bereichs Elektrochrome Systeme am Fraunhofer ISC.
Auch bei der Charakterisierung der optischen und elektrochemischen Eigenschaften steuert das Fraunhofer ISC im Projekt Switch2Save nicht nur wertvolles Know-how, sondern auch eine umfangreiche technische Infrastruktur bei. »Am Fraunhofer FuE-Zentrum Elektromobilität Bayern, das unter dem Dach des Fraunhofer ISC aufgebaut wurde, können Tests und Analysen für nahezu alle elektrochemischen Fragestellungen durchgeführt werden. Davon profitiert auch die Weiterentwicklung der elektrochromen Systeme«, so Schott weiter. Ziel des von der EU geförderten Projekts ist die großflächige Herstellung elektrochrom und thermochrom schaltender Laminate für den Einsatz in Fassadenelementen und Fenstern.
https://www.fzeb.fraunhofer.de/en/electrochromic-systems.html