Resilientere Lieferketten schaffen

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DLK 2022 (Bild: IWP)

Deutsche Logistik-Kongress: Wissenschaftspreis Logistik 2022 und Deutscher Logistik-Preis 2022 verliehen

Nachhaltigkeit in der Transportlogistik – Wasserstoff bevorzugt:  Studie von BVL, DHL und Here zu CO2-Bilanzierung und Maßnahmen in der B2B-Transportlogistik

Der Deutsche Logistik-Kongress 2022 versammelte vom 19. – 22. Oktober rund 2.000 Fach- und Führungskräfte aus dem Wirtschaftsbereich Logistik in Berlin. Hier diskutierten die Expertinnen und Experten unter anderem, wie die Lieferketten im von Engpässen und Krisen geprägten „new normal“ aufrechterhalten werden können.

Wissenschaftspreis für emissionsorientiertes Management landgebundener Güterverkehre

Dr. Arne Heinold von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel setzt sich mit seiner Dissertation zu einem Öko-Label für Landtransporte beim Wissenschaftspreis Logistik 2022 durch.

Verleihung des Wissenschaftspreises Logistik 2022 (v.l.n.r.): Kay Schiebur, Pate für den Wissenschaftspreis im BVL-Vorstand und Vorstandsmitglied der Otto Group, Prof. Dr. Frank Meisel und Dr. Arne Heinold von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Knut Alicke vom Sponsor des Preises McKinsey & Company, Inc. und der Juryvorsitzende Prof. Wolfgang Kersten von der TU Hamburg-Harburg (Bild: BVL/Bublitz)

Nach intensiver Diskussion hat die Jury des Wissenschaftspreises Logistik der Bundes- vereinigung Logistik (BVL) eine schwere Entscheidung getroffen: Dr. Arne Heinold von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat sich mit seiner Arbeit zum emissions- orientierten Management landgebundener Güterverkehre gegen zwei weitere Finalisten durchgesetzt. Die Dissertation wurde betreut von Prof. Dr. Frank Meisel.

Der Personen- und Gütertransport verursacht einen erheblichen Anteil klimarelevanter Emissionen, die Höhe der Emissionen hängt vom Verkehrsmittel ab. Öko-Label haben sich in anderen Bereichen bereits etabliert, um Produkte und Dienstleistungen basierend auf ihrem Umwelteinfluss zu kennzeichnen. Mit den Farben Grün, Gelb, Orange, Rot zeigen sie, wie energiesparend Produkte sind.

An einer vergleichbaren Lösung für Transportdienstleistungen hat Arne Heinold gearbeitet. „Mit Öko-Labels, die ihre Umweltqualität kennzeichnen – Grün für gut oder Rot für schlecht – können Logistikdienstleister Kundenpräferenzen berücksichtigen und Wettbewerbsvorteile realisieren“, sagt der Wissenschaftler.

Allerdings ist die Ermittlung eines Öko-Labels für Güterverkehre schwieriger als beispielsweise für elektronische Konsumgüter (deren zu erwartender jährlicher Energie- verbrauch sich im Labor testen lässt), da Transportemissionen von einer Vielzahl operativer Faktoren und Entscheidungen der Logistikunternehmen abhängen, wie die Disposition von Fahrzeugen und Konsolidierungsentscheidungen. In seiner Dissertation, die Teil eines Projekts der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) war, zeigt Heinold Methoden auf, mit denen Emissionen abhängig vom Verkehrsträger ermittelt und – was neu ist – auf einzelne Sendungen umgerechnet werden. Hierfür prüfte er Allokations- methoden, die auf DIN-EN-Normen beruhen. Er analysierte multimodale Verkehre in 27 europäischen Ländern und berücksichtigte externe Faktoren wie Topografie oder Energieerzeugung. Geringere Transportemissionen führen demnach häufig zu längeren Transportzeiten. Wenn Logistiker ihre Transporte grün labeln wollen, müssen sie längere Lieferzeiten in Kauf nehmen.

Der Wissenschaftspreis Logistik der BVL richtet sich an junge Wissenschaftler, deren akademisch herausragende Arbeiten besonders praxisrelevant sind und somit für Umsetzungen im Berufsalltag bestens geeignet sind. „Die für den Wissenschaftspreis Logistik eingereichten Arbeiten geben wichtige Impulse für die Logistikpraxis von morgen“, sagt Kay Schiebur, Vorstand Services der Otto Group und im Vorstand der BVL Pate für die Auszeichnung. Der Wissenschaftspreis bezieht auch die betreuenden Institute mit ein und ist mit € 5.000,– für den Wissenschaftler dotiert. In diesem Jahr wurde der Wissenschaftspreis Logistik unterstützt von McKinsey & Company, Inc.

Mehr zum Preis unter www.bvl.de/wpl

DLK 2022 (Bild: IWP)

Nachhaltigkeit in der Transportlogistik – Wasserstoff bevorzugt

In einer gemeinsamen Befragung haben die Bundesvereinigung Logistik (BVL), DHL und das Standortdaten- und Technologie-Unternehmen Here Technologies unter gut 100 Unternehmen aus Industrie, Handel und Logistikdienstleistung ermittelt, welche Maßnahmen sie zur CO2-Reduzierung priorisieren und welche Rolle alternative Antriebe bei der Flottenentwicklung spielen.

Die Bewertungsskala reichte dabei von 1 (sehr geringe Nutzung) bis 7 (sehr intensive Nutzung). Nach den bevorzugten Antriebstechnologien der kommenden Jahre für ihre Lkw-Flotten befragt, präferierten die meisten Unternehmen Wasserstoff (5,09), gefolgt von der Elektro-Mobilität (4,77) und dem herkömmlichen Dieselantrieb (4,40). Erst danach folgen LNG oder CNG (3,82 bzw. 3,09). Einig sind sich die Befragten, dass die Nutzung von Dieselantrieben stark zurückgehen wird. Eine Umstellung scheitert aber derzeit vor allem noch an der Verfügbarkeit sowohl der alternativen Antriebe als auch der Lade- bzw. Tankpunkte. Von rund 70.000 E-Lade-Stationen in Deutschland sind weniger als 6.000 für Lkw geeignet. Wasserstoff-Tankstellen gibt es in Deutschland nur rund 100 und in ganz Europa nicht einmal 250.

Lediglich 35 % der befragten Unternehmen haben bereits einen Zeitpunkt definiert, zu dem sie in ihrem Flotteneinsatz klimaneutral sein wollen. Dabei fällt auf, dass die Logistik-  dienstleister hier ambitionierter sind als Industrie und Handel. Während letztere im Schnitt 2035 klimaneutral sein wollen, möchten das die Logistikdienstleister bereits bis 2033 schaffen.

Nur rund 40 % der Befragten geben an, dass ihr Unternehmen schon einmal eine COBilanz erstellt hat. Weitere 30 % bereiten dies gerade vor, 13 % planen das in der Zukunft.

In der Studie wird deutlich, dass die Unternehmen den CO2-Ausstoß ihrer Transporte nur zu einem Teil direkt beeinflussen können. Die Industrieunternehmen haben nur 26 % der insgesamt befrachteten Flotte in eigener Hand (also im Eigentum oder geleast). Selbst bei den Logistikdienstleistern beträgt der Anteil nur 47 %, im Handel liegt er mit 53 % am höchsten. 

„Bei der Befragung hat sich gezeigt, dass bezüglich der Flotten noch erhebliche Anstrengungen nötig sind, um die Klimaneutralität zu erreichen. Aktuell können die Unternehmen aber mangels Verfügbarkeit alternativer Antriebe noch gar nicht so schnell vorangehen, wie sie vielleicht möchten. Die Aussagen zu den wichtigsten Kriterien bei der Auftragsvergabe sind im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeitsdebatte allerdings ernüchternd. Sind in Zeiten fragiler Lieferketten die Aspekte „Verfügbarkeit“, „Qualität“ und „Flexibilität“ nachvollziehbar auf den vorderen Plätzen, so wird das Ranking auch jetzt immer noch vom Kriterium „Preis“ angeführt. Nachhaltigkeit und Emissionen werden zwar als verhältnismäßig wichtig betrachtet, liegen bei den Kriterien für eine Auftragsvergabe aber dennoch auf den letzten Plätzen“, so Dr. Martin Schwemmer, Geschäftsführer der BVL.

Weitere Ergebnisse und Informationen zur Studie erhalten Sie (auf Englisch) unter

https://bvl-digital.de/sustainability-in-transport-logistics/

SMS Group mit Hochregallager für Container erfolgreich 
Deutscher Logistik-Preis 2022 geht an Boxbay

90% des globalen Warenumschlags erfolgt über den Seeweg. Weltweit stoßen Häfen an ihre Grenzen: Flächen reichen nicht aus, um das Wachstum des Warenverkehrs zur bewältigen, Durchlaufzeiten sind zu hoch, ebenso wie Lärm- und Lichtemissionen und die Energieverbräuche in den Terminals. Jetzt gibt es eine Lösung, die all diese Probleme adressiert. Das Konzept Boxbay wurde vom Anlagenbauer SMS Group entwickelt und konnte sich bereits in einem Pilotprojekt in Dubai beweisen. Dieses Konzept wird nun mit dem Deutschen Logistik-Preis 2022 ausgezeichnet.

Die Lagerkapazität eines Containerterminals auf gleicher Fläche verdreifachen und das aufwändige und unproduktive Umstapeln komplett vermeiden. Diese Lösung kommt in einer Zeit, in der aufgrund immer größerer Schiffe bei einem Hafenstop auch immer mehr Container gelöscht, zwischengelagert und wieder geladen werden müssen. Gleichzeitig hat sich die durchschnittliche Verweilzeit eines Containers auf den Terminals auch aufgrund der bekannten Lieferkettenprobleme kontinuierlich gesteigert. Damit Lieferketten robuster werden können, benötigen die Terminals eine größere Pufferkapazität, die auf den begrenzten Flächen mit herkömmlichen Prozessen meist nicht geschaffen werden kann. „Wenn wir auf die Geschichte des Containers zurückblicken, hat sich seit seiner Einführung 1956 nichts Wesentliches geändert“, sagt Carsten Heide, Leiter Projekt- management beim SMS-Tochterunternehmen Amova. Das wie ein Hochregallager funktionierende Boxbay-Konzept für Container sämtlicher Standardmaße ändert die Prozesse auf den Terminals nun radikal: Zum einen können statt höchstens sechs Containern nun bis zu elf der Boxen übereinander gelagert werden. Vor allem aber liegen diese separat und nicht direkt aufeinander, so dass Umstapelungen komplett entfallen können. Die Container können an mehreren Seiten von Boxbay ein- und ausgelagert werden. Ein umlaufendes Transportsystem, welches die Gassen untereinander verbindet, schafft Flexibilität und Geschwindigkeit beim Umschlag.

Im Januar 2021 ging als Proof of Concept der Partner SMS Group und DP World eine erste Anlage im Hafen von Dubai in Betrieb. Bei einem vollständigen Ausbau der 230 Meter langen, 26 Meter breiten und 50 Meter hohen Pilotanlage lassen sich wasserseitig 500 Ein- und Auslagerungen pro Stunde sowie landseitig 300 Ein- und Auslagerungen pro Stunde realisieren. Die kaiseitige Umschlagtechnologie mit den vorhandenen Container- brücken kann dabei wie bisher weitergenutzt werden. Die Boxen werden anschließend von den im Terminal eingesetzten Transportsystemen übernommen und bis zur Auf- nahmeposition des Boxbay-Lagers transportiert. Dort übernehmen leistungsfähige Regalbediengeräte die Container und transportieren sie über Gassen zu den Regal- lagerplätzen von Boxbay. Unter dem Lager befindet sich ein umlaufendes schienen- gebundenes Paletten-Transportsystem, das die Container zur landseitigen Lkw- oder Bahnübergabestation bringt oder sie abholt.

Im Gegensatz zu vielen konventionellen Systemen wird Boxbay vollständig emissionsfrei mit elektrischer Energie betrieben und kann in Verbindung mit grünem Strom CO2-frei arbeiten. Das Dach der Anlage lässt sich optional mit einer großflächigen Photovoltaik-Anlage ausrüsten, die den Strom für den Betrieb der Anlage produziert oder sogar einen Energieüberschuss erwirtschaftet. Ebenso können vertikale Gärten an der Außenver- kleidung die Luft reinigen und die Umgebungstemperatur senken. Durch die Kapazitäts-  erweiterung ohne zusätzliche Flächen lassen sich zusätzliche Landerschließungen und schwerwiegende Eingriffe in Natur und Öko-System vermeiden.

Das Boxbay-Konzept überzeugte die Jury und setzte sich am Ende klar gegen die Mitbewerber durch. Die Jury-Vorsitzende Dr. Ursula Weidenfeld hob in ihrer Laudatio hervor, dass das Projekt neben der Innovation auch den neueren Kriterien für den Deutschen Logistik-Preis wie gesellschaftliche Relevanz und Verbesserung der Resilienz entspricht: „Beim Boxbay-Projekt ist es am offensichtlichsten: Wir sehen eine Verdichtung von Containerflächen auf ein Drittel, Lärm- und Lichtschutz, Stromerzeugung über den eigenen Bedarf hinaus, die Einbindung existierender Hafenumschlagstechnologien und den wahlfreien Zugriff auf jeden Container. Obwohl Boxbay in Dubai noch eine Testanlage ist, erfüllt der gesamte Anlagenkomplex schon jetzt alle Kriterien und Ziele des Deutschen Logistik-Preises“, so Weidenfeld.

Weitere Finalisten Heureka und Volkswagen Group Components
Ebenfalls im Finale des Deutschen Logistik-Preises standen zwei Konzepte von Volkswagen Group Components in Braunschweig und Heureka Business Solutions in Mannheim. Bei VW geht es um die Produktion und Logistik der Batteriesysteme für E-Autos. Angefangen vom Transport per Bahn und E-LKW über das hoch automatisierte Materialfluss-System bis zu automatischen Verladungen zeigt sich hier ein beeindruck- endes und innovatives Gesamtkonzept. Heureka bewarb sich mit einem neuen Konzept für die Healthcare-Logistik im Klinikum Mannheim. Die Bewerbung stellt die Optimierung der Intralogistik mithilfe künstlicher Intelligenz und eines digitalen Zwillings vor dem Hintergrund der besonderen Herausforderung eines großen Klinikbetriebs vor.

Jahresmotto „Supply Chains matter!”

„Persönlicher Austausch bereitet Freude und tut uns gut – er ist nicht durch virtuelle Treffen ersetzbar“, sagt Prof. Thomas Wimmer, Vorsitzender des Vorstands der BVL. Deshalb rückte die BVL beim Deutschen Logistik-Kongress 2022 die Netzwerkpflege und den Austausch in Präsenz in den Fokus.

Inhaltlich hat die Konzeptgruppe für den Kongress ein spannendes Programm ausgearbeitet, welches einen Bogen schlägt von übergeordneten geostrateg- ischen Fragestellungen über den Weg zur Klimaneutralität bis zu konkreten Digitalisierungsansätzen und resilienten Lieferketten. „So, wie es vor den derzeitigen Störungen in den Lieferketten war, wird es nicht mehr werden. Wenn wir die derzeitigen Krisen bewältigt haben, werden andere in den Vordergrund treten und neue Herausforderungen bringen. Resilientere Lieferketten erfordern in vielen Prozessen radikales Umdenken – nicht zuletzt vom bisherigen Primat der „Kosten“ hin zu den neuen Prioritäten „Verlässlichkeit“ und „Nachhaltigkeit“. Logistik ist das Rückgrat unserer Wirtschaft und somit auch unserer freien Gesellschaft. Es ist besonders wichtig, sich in Situationen wie dieser unter Freunden auszutauschen – ‚Friendshoring of knowledge‘ sozusagen“, regt Wimmer an.

Link zum Kongress:  www.bvl.de/dlk

 


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