Mitteldeutscher Wachstumskern ibi sucht Investoren für aussichtsreiche Projekte
Halle (Saale). Die Perspektiven der Braunkohle als Energieträger mögen umstritten sein – eine große Zukunft als Rohstoff für die Industrie hat sie allemal. Im mitteldeutschen Raum lagern riesige Vorräte, die aus heutiger Sicht noch rund 300 Jahre reichen. Ein neues Verfahren zur Gewinnung von Kohlenwasserstoffen aus dem „schwarzen Gold“ ist gegenüber einer entsprechenden erdölbasierten Technologie um den Faktor acht effektiver.
Die Braunkohlennutzung hat im Chemiedreieck zwischen Halle/Leipzig, Bitterfeld und Merseburg eine starke industrielle Basis und mehr als hundertjährige Tradition. Um dieses kontinentale Alleinstellungsmerkmal als Trumpf im weltweiten Wettbewerb um immer knapper werdende Rohstoffe besser ausspielen zu können, haben sich Unternehmen, Institutionen und Forschungseinrichtungen unter dem Leitgedanken „Innovative Braunkohlen Integration in Mitteldeutschland“ (ibi) vor vier Jahren zusammengetan. In einem Fachsymposium zu dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten regionalen Wachstumskern zogen 150 Unternehmer und Wissenschaftler jetzt Zwischenbilanz.
Aus der Vision – der Entwicklung von Dienstleistungen, Verfahren und Anlagentechnik, um die Technologie- und Marktführerschaft bei der Herstellung hochwertiger chemischer Grundstoffe und Basisprodukte aus Braunkohle zu erlangen – wird schrittweise wirtschaftliche Realität. Einzelne Module eines zukünftigen „Braunkohlenchemieparks“ Mitteldeutschland werden bereits vermarktet. So berichtete Ulf Henkel, Geschäftsführer der EPC Engineering Consulting GmbH, vom erfolgreichen Engagement des Unternehmens bei Investitionsvorhaben in Russland und China. Dort sind auf Grund der anderen Rahmenbedingungen derzeit die Realisierungschancen für solche Vorhaben deutlich besser als in Europa und das Interesse ist entsprechend groß.
Dr. Tom Naundorf, Geschäftsführer Technik der Romonta GmbH, weltgrößter Hersteller von Rohmontanwachs (traditionelle Einsatzgebiete sind Schuhcremes, Polituren, Schmierstoffe, Emulsionen zur Baustoffhydrophobierung, Asphaltindustrie, Gießereiwesen und Farbträger in Kohlepapieren), resümierte an Hand einer Reihe von ibi-Verbundprojekten, dass dank der intensiven Zusammenarbeit zwischen Forschung und Produktion unterdessen die Technologien für gesamte Wertschöpfungsketten vorhanden sind. Prof. Matthias Seitz von der Hochschule Merseburg stellte mit der Niedertemperaturkonversion ein hocheffektives Verfahren zur Gewinnung von Kohlenwasserstoffen vor, das bis zu achtfach effektiver ist als vergleichbare Verfahren auf Erdölbasis. Der Forscher sucht nun Investoren für eine entsprechende Pilot- bzw. Großanlage.
Dem Finanzierungsproblem und anderen Schwierigkeiten widmete sich auch der langjährige ibi-Vorstandssprecher Andreas Hiltermann. Die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche stoffliche Verwertung der Braunkohle – also fern ihrer Verbrennung – haben sich auf den Weltmärkten zum Teil stark verschlechtert. Vor allem durch die kostengünstigere Gewinnung von Schiefergas in den USA und die Auswirkungen auf den Gaspreis. So fehlt denn noch ein Investor für den Schluss der ibi-Kette: eine Vergasungsanlage, die Synthesegas für die Chemieindustrie kostengünstig zur Verfügung stellt. Von der Politik forderte Hiltermann, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu verbessern, Klarheit beim CO2-Emissionshandel und die Beendigung der unverhältnismäßigen Förderung der erneuerbaren Energien.
Auf den engen Zusammenhang von Tradition und Innovation machte Hans-Peter Hiepe, Referatsleiter im Bundesforschungsministerium und einer der Geburtshelfer des ibi-Wachstumskerns, aufmerksam. Dazu gehöre auch, dass hier in Mitteldeutschland Firmen ein wissenschaftliches Umfeld haben. Nach seiner Einschätzung seien jetzt in der Region ein langer Atem und vor allem unternehmerisches Engagement gefragt. Er erinnerte sich, dass 2009 – auf dem Höhepunkt der Finanzkrise – die Entscheidung für eine Förderung der mitteldeutschen Initiative zu fällen war. Damals habe er gemeint, dass es Dinge gäbe, die zu schade seien, verbrannt zu werden: „Dazu gehören Geld – und Braunkohle.“
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