Asbestrisiko in Putz und Spachtelschichten – BVS erklärt Risiken und Hintergründe.
Einst wegen seiner positiven technischen Eigenschaften hoch gelobt; später auf Grund seiner gesundheitsgefährdenden Wirkung verboten: Asbest gehört zu den bekanntesten Schadstoffen in Innenräumen. Warum trotz Verbot nun eine neue Herausforderung bei Sanierungs- und Umbaumaßnahmen auf Privatpersonen und öffentliche Träger zukommt, erklärt Diplom-Biologin Nicole Richardson, Leiterin des BVS-Bundesfachbereiches Innenraumhygiene (BVS – Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger e.V.).
Red.: Frau Richardson, Sie sind öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Schimmelpilz und andere Innenraumschadstoffe. Bitte erläutern Sie den Begriff Asbest und erklären Sie kurz die Problematik.
Rich.: Unter der Sammelbezeichnung Asbest werden faserförmige, kristalline Silikatmineralien zusammengefasst. Besonders die Eigenschaften des Stoffes wie Nichtbrennbarkeit, Biegsamkeit, Temperaturbeständigkeit und hervorragende Isolationswirkung machten Asbest in der Vergangenheit zu einem beliebten Baustoff. Als man erkannte, dass Asbest hochgradig gesundheitsschädigend ist, so beispielsweise Krebs und schwere Lungenerkrankungen wie Lungen- und Rippenfellkrebs oder Asbestose auslösen kann, wurde Asbest verboten. Seit 1993 gilt bundesweit nach der Gefahrstoffverordnung ein Herstellungs- und Verwendungsverbot.
Red.:Können Sie uns einen kurzen Einblick geben, wo Asbest seine Verwendung fand?
Rich.: Asbest galt praktisch als universal verwendbar und wurde vornehmlich als Brandschutz in Platten, Ummantelungen und Verkleidungen aber auch in Zement, Kitt, Dichtmasse, in Spachtelmasse, Putzen, Dichtungen, Straßenbelägen und Klebern verwendet. Die Asbestanteile variieren hier natürlich. So können Asbestprodukte vorliegen bei z.B. Dacheindeckungen, Fassadenbekleidungen, Innenwandverkleidungen wie Gipskartonwänden, etc. und gerade jetzt – bei Sanierungs-, Umbau- und Renovierungsmaßnahmen – stehen wir im wahrsten Sinne des Wortes vor den Altlasten.
Red.: Bitte erklären Sie, warum besagte Sanierungs- und Renovierungsmaßnahmen nun ein Problem darstellen.
Rich.: Zunächst wurde Asbest bis 1990 in unterschiedlichen Konzentrationen und in unterschiedlichen Baustoffen eingebaut. Darüber hinaus ist es wahrscheinlich, dass die bestehenden Asbest-Lagerbestände auch bis 1995 aufgebraucht, also eingebaut wurden. Asbest fand, wie gesagt, auch eine hohe Anwendung in Putzen und Dicht- und Spachtelmassen. Das Verbot gilt erst seit ca. 23 Jahren. Viele Gebäude sind natürlich älter. Hier stehen immer wieder bauliche Maßnahmen an. Das betrifft den Privathaushalt, sprich die Renovierung der eigenen Wohnung oder des eigenen Hauses, ebenso wie öffentliche Einrichtungen wie Schwimmbäder, Schulen oder Bibliotheken. Bei dem Rückbau, der in der Regel nicht staubarm vorgenommen wird, ist davon auszugehen, dass Asbestfasern freigesetzt werden, so sie verbaut worden sind.
Red.: Kann und muss man nicht im Vorfeld prüfen, ob Asbest verbaut worden ist?
Rich.: Selbstverständlich. Das ist unter Umständen mit enormen Kosten und Aufwand verbunden, denn letztlich kann man insbesondere an Kleber, Spachtelmassen oder Farbanstrichen nicht durch Inaugenscheinnahme oder Sichtkontrolle feststellen, ob die Baumaterialien Asbest enthalten. Hier sind Materialproben zu nehmen, die mit ausreichender Sicherheit Aussagen treffen können, ob im Haus asbesthaltige Baumaterialien eingesetzt worden sind. In einem großen Haus sind dabei mehr Proben zu nehmen, als in einem einzigen Zimmer.
In der Regel werden exemplarische Stichproben entnommen und untersucht, so ein Verdacht besteht. Generelle Verdachtsbauteile sind zum Beispiel Putze und Spachtel an Heizungsnischen, Fenster- und Türleibungen, Spachtelmassen an Gipskarton
wänden, Fliesenkleber oder sichtbar gespachtelte Elektrokabelschlitze zu Steckdosen. Im Gegensatz zu leicht erkennbaren asbesthaltigen Materialien (Asbestzement, Promabest, Spritzasbest, Floor-Flex Platten, etc.) besteht generell für viele Wandbeläge keine Möglichkeit, asbestverdächtige von unverdächtigen Belägen zu unterscheiden. Aber – es fehlen nach wie vor hierzu klare Regelungen, Normen und Bestimmungen, wie in Verdachtsmomenten vorzugehen ist. Das ist eine Frage der Gesundheitsprävention und auch der Haftung. Diese fehlende gesetzliche Basis kritisieren wir ebenfalls als BVS.
Der BVS hat einen eigenen Bundesfachbereich Innenraumhygiene, der sich u.a. mit Schadstoffen in Innenräumen beschäftigt und hier auch Standpunkte als Wegweiser erstellt. Wir fordern klare Bestimmungen, denn auch die bestehende Asbestrichtlinie gibt hierzu keine Auskunft. Zwar regelt die TRGS (Technische Regelung für Gefahrstoffe) Schutzmaßnahmen bei den Tätigkeiten mit Asbestmaterialien, doch zur Probenahme, präventiven Kontrolle, zum Ablauf und Zeitplan etc. sind hier keine Angaben zu finden. So obliegt es auch öffentlichen Trägern selbst, vor Sanierungsmaßnahmen Proben nehmen zu lassen. Das ist nicht nur die Forderung des BVS. Auch der Gesamtverband Schadstoffsanierung e.V. (GVSS) appelliert in seinem Leitfaden zum Umgang mit diesen krebsauslösenden Materialien an die zuständigen Behörden, gesetzliche Grundlagen zu schaffen.
Bekannt ist beispielsweise, dass Kommunen oft ohnehin mit knappem Budget kalkulieren. Besteht also keine gesetzliche Pflicht zur Erkundung, werden bauliche Maßnahmen auch oft ohne Test durchgeführt, obschon die Gesundheitsrisiken beim Rückbau für die Arbeiter, aber auch für die Nutzer bestehen. Das gefährdet das durchführende Unternehmen ebenso wie alle, die unter Umständen dann mit den freigesetzten Asbestfasern in Berührung kommen. Asbest muss nach dem Abfallrecht getrennt werden. Falls bekannt ist, dass Asbest im Baumaterial vorliegt, müssen bei allen Arbeiten die Arbeitsschutzvorschriften nach TRGS 519 eingehalten werden. Es gibt jedoch keine Ermittlungspflicht für die Bauherren.
Red.: Was ist zu beachten, wenn bei den Proben Asbest festgestellt wurde?
Rich.: Arbeiten können dann nur mit Schutzmaßnahmen durchgeführt werden und dürfen nur unter der Beachtung der einschlägigen Arbeitsschutzbestimmungen (z.B. TRGS 519) von Fachunternehmen, die die Sachkunde hierzu haben, vorgenommen werden. Faserbelastungen sind nur dann zu erwarten, wenn diese durch mechanische Eingriffe, wie zum Beispiel Baumaßnahmen freigesetzt werden. Für die Nutzer besteht bei dem Auftreten von asbesthaltigen Wandbelägen und Klebern in der Regel keine Gefahr, wenn nicht rückgebaut wird. Bei kleineren Arbeiten (z.B. Bohren zum Anbringen einer Befestigung) an asbesthaltigen Spachtelmassen, die in der Regel einen sehr viel geringeren Asbestanteil aufweisen, kann ein emissionsarmes Verfahren (BT 30) eingesetzt werden. Das ist ein genau beschriebenes Verfahren, bei dem geprüft wurde, dass u.a. unter fachgerechter Absaugung nur sehr geringe Asbestfaserkonzentrationen freisetzt werden
Red.: Öffentliche Träger haben hier eine besondere Verantwortung. Was kann der „Privatmann“ tun bzw. sich schützen?
Rich.: Im Prinzip ist es das gleiche Vorgehen. Bei Häusern, die vor dem Asbestverbot gebaut wurden, kann eine eindeutige Bestimmung nur mittels Probenahme Sicherheit geben. Das ist natürlich ein Kostenfaktor. Im Zweifelsfall können wir nur empfehlen, sachverständigen Rat einzuholen. Hier stehen wir zum Beispiel zur Verfügung.