Logistik-Kompetenz-Zentrum (LKZ) sieht Handlungsbedarf
Die elektronische Verfügbarkeit der Gefahrgut-Daten würde den Einsatzkräften im Falle eines Unfalls eine enorme Hilfe sein; wertvolle Zeit beim Schutz von Mensch und Umwelt würde gespart
Traunstein – Ein Alptraum: Starker Regen. Dunkelheit. Das Blaulicht von Rettungsdienst, Polizei und Feuerwehr erhellt den Rauch, der aus dem Laderaum eines soeben auf der neuen Traunsteiner Umgehungsstraße verunfallten Lkw quillt. Dem verletzten und unter Schock stehenden Fahrzeuglenker half eine Polizistin kurz zuvor noch aus dem Führerhaus. Noch ist allen Einsatzkräften unklar, was genau der Lkw geladen hat, beziehungsweise was zu dieser starken Rauchentwicklung führt und welche Flüssigkeit unterhalb der Ladefläche auf den Boden tropft . In diesem Fall konnten allerdings alle Beteiligten durchatmen; denn dieses Unfallszenario mit einem Gefahrguttransporter war nur eine Simulation. Im Rahmen eines länderübergreifenden Projektes wurde diese vom Logistik-Kompetenz-Zentrum (LKZ) aus Prien initiiert und vergangenen Donnerstag mit entsprechenden Einsatzkräften und Equipment in der Nacht durchgeführt.
Das gesamte Szenario wurde gefilmt. Mit einem aufrüttelnden Filmbeitrag sollen das Problem und der dringende Handlungsbedarf bei derartigen Unfällen mit Gefahrgut aufgezeigt werden. Karl Fischer, Geschäftsführer der LKZ Prien GmbH: „Im Führerhaus müssen zwar immer Papiere sein, die das transportierte Gefahrgut genau beschreiben. Doch genau das wird oft im Chaos oder der Hektik am Unfallort nicht oder nicht sofort gefunden. Oder der Fahrer, der seine Fracht auch genau kennen muss, ist nicht ansprechbar. Somit kann die Polizei, die üblicherweise zuerst am Unfallort eintrifft, keine genauen Anweisungen an die Feuerwehr geben, mit welcher Ausrüstung sie anrücken soll; ob gegebenenfalls eine Ölsperre nötig ist, oder ob besser der Katastrophenschutz alarmiert werden sollte. Ein Desaster in Sachen Rettungssteuerung.“ Das bestätigte auch der Feuerwehrkommandant: „Wenn der Lkw beispielsweise Karbid geladen hat und wir bei einem Brand ausgerechnet mit Wasser löschen, würde es aufgrund der heftigen chemischen Reaktion erst recht zu einer Katastrophe kommen.“ Beste Ausrüstung und Infrastruktur, wie sie die Traunsteiner Feuerwehr vorweisen kann, nütze nichts, so der Feuerwehrmann, wenn nicht klar sei, um welche Gefahrenstoffe und somit Gefährdungspotentiale für Mensch und Umwelt es sich überhaupt handelt. Sichtlich betroffen zeigte sich auch die Polizistin: „Ich hatte gerade den verletzten Fahrzeuglenker aus dem Führerhaus, da fing es plötzlich zu brennen und heftig zu rauchen an. Chaos stellte sich ein.“
Damit solche Situationen möglichst vermieden werden können, „müssen die relevanten Daten bezüglich des Gefahrgutes auf einer zentralen Plattform für die Einsatzkräfte elektronisch verfügbar gemacht werden“, verdeutliche Fischer den notwendigen Handlungsbedarf. „Bei einem Paket weiß man heute dank der modernen Technik zu jeder Zeit, wo es gerade unterwegs ist. Doch hier, wo es um die Bedrohung von Mensch und Umwelt gehen kann, gibt es keine mobile Datenverfügbarkeit.“ Acht Prozent des europäischen Güterverkehrs auf der Straße, so der Logistikexperte, sind Gefahrguttransporte. Gerade deshalb, so waren sich alle Beteiligten der Simulation einig, wäre die mobile elektronische Verfügbarkeit der relevanten Daten in solchen Fällen goldwert. Rettungsmittel könnten zielgerichtet koordiniert und wertvolle Zeit gespart werden.
Fischer verwies in diesem Zusammenhang gerade auf die Problematik bei Unfällen in Tunneln; auch bei Zügen, die ja ebenso Gefahrgut transportieren. „Wenn es brennt und raucht, ist unter Umständen noch nicht mal mehr das orangefarbene Gefahrengutschild auf einem Lkw zu erkennen.“