Technische Textilien aus der Natur

Mit Freunden teilen-Es werden Daten an den Anbieter und ggf. weitere Dritte übertragen.

Faserprodukte auf Basis von Proteinen, Pilzen und Bakterien

 

Fasermaterialien für technische Textilien werden mit Blick auf eine reproduzierbare Qualität auf petrochemischer Basis erzeugt. Mit der steigenden Bedeutung natürlicher Ausgangsstoffe für die Produktion rücken neue Quellen in den Fokus. So wird seit einiger Zeit versucht, Herstellungsprozesse für Fasermaterialien auf Basis von Proteinen, Pilzen und Bakterien aufzubauen. Neben ihrem natürlichen Ursprung können Textilien weitere Qualitäten aufweisen und zum Beispiel antibakteriell wirken, hochfeste Eigenschaften haben oder Feuchtigkeit besonders stark absorbieren.

 

Qmilch: Milchproteinfasern (Anke Domaske)

Ein Beispiel ist Qmilch ein neues Fasermaterial auf Basis von Kaseinproteinen, das einige Vorteile gegenüber konventionellen textilen Ausgangsstoffen ausweist. In einem umweltschonenden Fertigungsprozess werden Milchproteinfasern ohne chemische Zusätze hergestellt. Sie enthalten bis zu 18 Aminosäuren, die das Zellwachstum unterstützen und der Alterung der Haut vorbeugen. So regen Milchproteinfasern die Blutzirkulation an, wirken gegen den Juckreiz der Haut und glätten sie. Das Feuchtigkeitsmanagement der Funktionsfasern verhindert zudem das Wachstum von Bakterien um 99 % und fördert die für Allergiker wichtige Temperaturregulierung. Für die Faserherstellung wird keine Milch verwendet, die auch als Lebensmittel geeignet wäre. Es kommt vielmehr Kolostralmilch von gerade kalbenden Kühen oder das Zentrifugat aus der Käseherstellung zu Einsatz. Jährlich werden 1,9 Millionen Liter nicht verkehrsfähige Milch von den Betrieben entsorgt. Mit den beschriebenen Qualitäten sind Milchproteinfasern vor allem für den Einsatz in der Automobilindustrie und der Medizintechnik geeignet und bieten Vorteile für wärmeisolierende Sitzbezüge oder hygienische Membrane. Bereits geringe Zusätze von Milchproteinfasern in Textilien können die positiven Eigenschaften bewirken. „Lediglich ein Anteil von rund 20 Prozent reicht vollkommen aus, die Oberfläche antibakteriell zu machen“, sagt Qmilch-Gründerin Anke Domaske. Bislang wird das Fasermaterial mit einer Pilotanlage hergestellt. Die Serienproduktion ist für Mitte 2013 geplant.

 

 

EMPA: Struktur von Nanozellulosefasern

Ein weiteres Beispiel für ein neuartiges biobasiertes Fasermaterial kommt aus der Bionikforschung und wurde dem Vorbild der Spinne nachempfunden. Denn die von Spinnen in der freien Natur produzierten Fasern und Netze haben eine einzigartige Stabilität bei gleichzeitiger Dehnbarkeit. Spinnseide weist in Bezug auf seine hauchfeine Struktur eine Festigkeit wie Stahl auf und ist elastisch wie Gummi. Seit Jahren versuchen Wissenschaftler, das Rätsel der Spinnseide zu lüften und sie industriell nachzubauen. Der AMSilk AG und Prof. Thomas Scheibel von der Universität Bayreuth ist dies nun gelungen. Auf Basis eines traditionellen Fermentationsprozesses unter Verwendung gentechnisch veränderter Bakterien lassen sich Spinnseidenproteine erstmals in beliebiger Menge für unterschiedlichste Anwendungen erzeugen. Obwohl an der industriellen Herstellung von Fäden auf Basis von Spinnseidenproteinen immer noch geforscht wird, ist die Erzeugung von Rohmaterial in Kugeln, Membranen, Filmen und Folien bereits möglich. So lässt sich mit einer verdünnten Seidenlösung z.B. ein Spinnenseidenfilm bzw.

Spinnfaserproteine Prof. Scheible, AMSilk: Netz der Kreuzspinne

eine Spinnenseidenfolie erzeugen. Diese neuartige Produktionstechnik macht die gezielte Veränderbarkeit und kontrollierbare Formgebung von Seidenproteinen möglich und eröffnet den Einsatz für erste Seidenprodukte in Industrie und Technik. Aufgrund der sehr guten Verträglichkeit von Spinnseidenproteinen für den Menschen, ist der Einsatz für Kosmetika, medizinische Implantate und als Nahtmaterial denkbar. Derzeit werden auch Untersuchungen an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) durchgeführt, um Seide der goldenen Radnetzspinnen aus Tansania zur Züchtung künstlicher Haut einzusetzen. AMSilk hat 24-well Zellkulturplatten im Programm, die wahlweise mit einer dünnen Seidenbeschichtung versehen wurden oder eine offenporige Schaummatrix aus Spinnenseide enthalten. Zudem sind begrenzte Mengen an 24-well-Platten mit Inserts aus Spinnenseiden-Vliesstoffen erhältlich. Seit Februar 2013 bietet AMSilk alle Forschungskits mit Forschungslizenz an.

 

 

Dünne Haut aus Nanocellulose, aufgenommen am 24.11.2010 in einem Labor des Institutes für Technische Chemie und Umweltchemie der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Am 1. Oktober 2010 startete das interdisziplinäre Projekt "NanocellCare". Wissenschaftler aus vier Fakultäten der Friedrich-Schiller-Universität Jena sowie aus dem Universitätsklinikum Jena beteiligen sich an dem Verbundprojekt. Ziel der gemeinsamen Arbeiten ist das systematische Screening von bakteriell synthetisierter Nanocellulose (BNC) in verschiedenen Modifizierungen für den Einsatz als aktive Wundauflage im Rahmen einer feuchten Wundversorgung chronischer Wunden. Foto: Jan-Peter Kasper/FSU

Auch bei der so bekannten Zellulosefaser gibt es Neuentwicklungen, die außerordentliche Eigenschaften auf Basis biologischer Prozesse ermöglichen, die bislang in dieser Form nicht vorgelegen haben. Denn Zellulosefasern sind nahezu ausschließlich pflanzlichen Ursprungs. Bei einem alternativen biobasierten Herstellungsprinzip werden Mikroben dazu genutzt, innerhalb eines Fermentationsprozesses Glukose in Zellulose umzuwandeln. Dabei entsteht nanoskaliges Fasermaterial, das deutlich andere Eigenschaften aufweist als das pflanzlichen Ursprungs. Nanozellulosefasern haben einen Durchmesser von weniger als 100 Nanometern und eine Länge weniger Mikrometer. Die einzelnen Fasern sind bezogen auf ihre Masse hochfest und bauen untereinander starke Vernetzungen auf. Dadurch weisen sie eine extrem hohe Oberfläche auf, die sie äußerst reaktiv werden lässt. Nanozellulose bildet mit anorganischen, organischen und polymeren Materialien physikalisch-chemische Verbindungen aus, was sie als Verstärkungsmaterial für die Herstellung hochfester Polymerverbunde mit ähnlichen Festigkeiten wie die von metallische Bauteilen für die Automobilindustrie äußerst interessant werden lässt. Mit Nanozellulose ließe sich auch die mechanische Qualität von Holz- und Pappwerkstoffen verbessern. In Form nanoporöser Bioschaumstoffe könnten konventionelle Isolationsmaterialien ersetzt werden. Zu einem dichten Papier verpresst, ließe sich ein Nanofasernetzwerk mit verteilten Tonpartikeln als Barriereschicht für Sauerstoff oder Wasserdampf in Verbundverpackungen einsetzen und das heute zur Anwendung kommende Aluminium substituieren. Nanozellulose ist auch als Membran- und Filtermaterial in der Medizintechnik interessant. „Bakteriell synthetisierte Nanozellulose bietet als hochleistungsfähiges Hightech-Biopolymer aufgrund seiner einzigartigen Materialeigenschaften und eines während der Biosynthese steuerbaren Struktur- und Formdesigns innovative und zukunftsweisende Lösungen für Anwendungen in der Medizin, z. B. als moderne Wundauflage“, erläutert Dr. Dana Kralisch (JeNaCell GmbH). Am Institut für Technische Chemie und Umweltchemie der FSU Jena ist es in Kooperation mit den Partnern EPC Engineering Consulting GmbH und Polymet e.V. erstmals gelungen, Nanozellulose unter kontinuierlichen Prozessbedingungen in einer kleintechnischen Pilotanlage zu gewinnen. Als Ausgründung betreibt die JeNaCell GmbH den Aufbau einer größeren Produktionskapazität. Am EMPA in der Schweiz wurde ein Herstellungsprozess für getrocknetes Nanozellulosepulver entwickelt.

 

 

Techtextil, internationale Fachmesse für technische Textilien und Vliesstoffe

 

Die Techtextil 2013 (11. bis 13. Juni 2013) konzentriert als weltweite Leitmesse sämtliche Produktgruppen sowie Anwendungsbereiche technischer Textilien an einem zentralen Veranstaltungsort und gilt als Branchenhighlight. Hier finden Industrie, Forschung, Entwickler und Handel das gesamte Themenspektrum an technischen Textilien und Vliesstoffen in allen seinen Disziplinen auf einer weltweit einmaligen Innovationsplattform. Sie findet im Zweijahres-Turnus in Frankfurt statt. In diesem Jahr wird ein besonderes Augenmerk auf die Potenziale intelligenter Textilien im Kontext nachhaltiger Fasern gelegt.

 

TECHTEXTIL Internationale Fachmesse für Technische Textilien und Vliesstoffe Frankfurt am Main, 11.–13. Juni 2013

 

Mehr Informationen zur Techtextil 2013: www.techtextil.com

 

Abdruck gegen Belegexemplar oder Link honararfrei.

Pressedownload

 


Mit Freunden teilen-Es werden Daten an den Anbieter und ggf. weitere Dritte übertragen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert